Viele Menschen und Unternehmen fragen sich, wie sich denn die Strompreise in den nächsten Jahren entwickeln, um ihre Entscheidungen bezüglich Beschaffung, Eigenerzeugung, PPA, Batterien, Wasserstoff, Wärmepumpen etc. daraus abzuleiten.
Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesystem ISE hat dazu im Sommer 2021 eine klare Antwort gefunden: Regenerative Energie ist günstiger als fossile. Um zu dem Ergebnis zu kommen, muss man vier Annahmen treffen:
- Einen CO2-Preis von 225 €/EUA unterstellen, dann sind Kohle- und Gasverstromung teuer genug.
- Einfach behaupten, Wind- und Solarstromerzeugung würden drastisch billiger und dabei von einem Niveau ausgehen, dass weit unter der Realität liegt.
- Kosten für die in großem Umfang erforderliche Speicherung von Energie weglassen.
- Generell nur Stromgestehungskosten und nicht die horrenden Stromnetzentgelte im regenerativen Energiesystem betrachten.
Der hohe CO2-Preis ist langfristig durchaus vorstellbar, schließlich ist es ja der Sinn des Emissionshandels, regenerative Energie wettbewerbsfähig zu machen. Nur ist es nicht legitim, diese „Steuer“ in einen solchen Kostenvergleich mit einzubeziehen. Das ist sinnfrei.
Es wurden für Wind und Sonne in 2021 aktuelle Stromgestehungskosten angegeben, die weit über den EEG-Fördersätzen und EEG-Ausschreibungsergebnissen lagen. Seitdem sind die Preise nachweislich gestiegen und nicht gesunken. Haupttreiber ist das gestiegene Zinsniveau. Da sich dieses immer noch auf einem im langfristig (Jahrzehnte) niedrigen Niveau befindet, ist nicht erkennbar, warum die Zinsen künftig niedriger sein sollten. Auch ist nicht ersichtlich, warum die Preise für die Anlagen weiter so drastisch sinken sollten. Es wurde einfach die bisherige Entwicklung linear extrapoliert.
Tatsächlich ist der Preisrückgang bis 2021 aber einerseits auf die extrem niedrigen Zinsen und andererseits auf den Nachfragerückgang in den Jahren 2018 bis 2021 (hervorgerufen durch die Windkraftverhinderungspolitik von CDU/CSU) und nachfolgende „Kampfpreise“ für regenerative Anlagen zurückzuführen.
Auf den dritten Punkt hat letzte Woche Veronika Grimm hingewiesen.
Zwar ist es formal richtig, bei Stromgestehungskosten die Netzentgelte außen vor zu lassen, nur ergibt sich dann auch keine brauchbare Vergleichsbasis, denn Verbraucher und Unternehmen müssen diese mitbezahlen, und sie sind eben bei regenerativen Energien viel höher als im konventionellen System (zumindest in Deutschland).
Regenerative Energie ist nicht billiger als fossile, solange die Klimafolgekosten außen vorbleiben. Klimawandel können wir uns sicher nicht leisten. Die Energienutzung muss künftig klimaneutral erfolgen. Es ist aber politisch nicht klug, Volk/Wähler/Gesellschaft über die wahren Kosten und Konsequenzen der “Transformation” zu täuschen. Aktuell versucht ja der Wärmepumpenminister die Kosten des Stromnetzausbaus irgendwie auf die kommenden Generationen abzuwälzen, erstaunlich für eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die Interessen dieser Generation zu vertreten.
Viel schwerwiegender ist jedoch, dass diese Art von „Wissenschaft“ den Blick auf die Kostenoptimierung verstellt. Wie sollen denn der Markt (oder auch die Politik) die „besten“ (kostengünstigsten) Technologien (bzw. deren optimalen Mix, denn die “eine” optimale Technologie gibt es nicht und deswegen auch keine “Technologieklarheit”) identifizieren, wenn die Marktakteure derart in die Irre geführt werden? Kostenprognosen in “wissenschaftlichen” Studien stimmen grundsätzlich nicht, sondern spiegeln nur die Interessen der Autoren bzw. ihrer Auftraggeber wider.
Zurück zu der Ausgangsfrage: Wohin entwickelt sich der Strompreis? Nun, die Frage ist so unvollständig. Richtig muss sie lauten: Wann kostet der Strom wieviel? Das Bild zeigt die Spotpreise für Sonntag bis Montag (14.04.-15.04.2024). Von –60 bis 169 €/MWh ist für jeden etwas dabei – ohne Netzentgelte, Abgeben etc. Wer über Entscheidungen zum Thema Strom nachdenkt, sollte sich hiermit beschäftigen. Oder sich helfen lassen. Sonst kann es schnell schief gehen. Durchschnittspreise haben keine Aussagekraft.