Die Kopplung von Gaspreisen und Emissionspreisen

Schon seit den Anfängen des Emissionshandels 2005 ist phasenweise immer wieder eine enge Kopplung von Gaspreisen und Emissionspreisen im europäischen Emissionshandel zu beobachten. Steigen die Gaspreise, steigen auch die Preise für CO2-Zertifikate. Allerdings ist das nicht immer so. Was hat es damit auf sich?

Korrelation Gas- und CO2-Preis

Der Emissionshandel soll die Stromerzeugung von treibhausgasärmeren Technologien gegenüber treibhausgasintensiveren Technologien wettbewerbsfähiger machen. Im kurzfristigen Bereich geht es vor allem darum, Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke im Einsatz zu verdrängen. Dazu müssen sich die Gaskraftwerke in der Merit-Order vor die Kohlekraftwerke schieben.

Fossile Kraftwerke

Die variablen Kosten eines Kohlekraftwerks sind in aller Regel deutlich niedriger als die eines Gaskraftwerks. Zwar sind die Wirkungsgrade von Kohlekraftwerken niedriger als von Gaskraftwerken, aber der Preisunterschied bei den Brennstoffen ist erheblich. Im Mittel der letzten zehn Jahre hat Steinkohle frei Seehafen nur ungefähr ein Drittel soviel gekostet, wie Erdgas. Braunkohle wird direkt vor Ort genutzt, weshalb es keinen Handel und keine öffentlichen Preise gibt. Es darf davon ausgegangen werden, dass Braunkohle noch deutlich günstigere, variable Kosten hervorruft als Steinkohle.

Den Großhandelspreisen für die Brennstoffe sind die Kosten für die Nutzung des Gasnetzes bzw. den Binnenschifftransport hinzuzurechnen. Die Fixkosten bleiben im Energy-Only-Market regelmäßig außen vor. Sie sind bei Kohlekraftwerken deutlich höher als bei Gaskraftwerken.

Die Wirkungsgrade von Steinkohlekraftwerken liegen zwischen 40 und 45%. Mit Gaskraftwerken sind meistens Gas- und Dampfturbinenkraftwerke (GUD) gemeint, die Wirkungsgrade von 55 bis 60% aufweisen. Eine offene Gasturbine ohne nachgeschalteten Dampfprozess hat nur einen Wirkungsgrad von 25 bis 30% und wird nur für Spitzenlasten eingesetzt.

Die Emissionsintensität beträgt bei Erdgas ca. 0,202 t CO2/MWh und bei Steinkohle 0,337 t CO2/MWh. Das sind nur die bei der Verbrennung entstehenden Emissionen. Die Emissionen aus vorgelagerten Prozessen bleiben außen vor. Unter diesen Annahmen spart jede Megawattstunde Strom, die statt in einem Steinkohlekraftwerk in einem Gaskraftwerk erzeugt wird 0,4-0,5 t CO2. Ein Gaskraftwerk, das anstelle eines Steinkohlekraftwerks 5 TWh Strom erzeugt spart somit 2-2,5 Mio. Tonnen CO2. Das entspricht der Menge, die ein Tempolimit bringt. 2024 sind gut 26 TWh Strom aus Steinkohle erzeugt worden. Die Strommenge aus Braunkohle war dreimal so hoch. Hier liegt ein großes Klimaschutzpotenzial, das gar nicht thematisiert wird.

Fuel Switch

Bei gegebenen Kraftwerkswirkungsgraden, Kohle- und CO2-Preisen lässt sich der CO2-Preis ermitteln, der notwendig ist, um die Stromerzeugung aus Kohle teurer zu machen als aus Erdgas. Für einen Kohlepreis von 100 €/t, wie er derzeit ungefähr gilt, zeigt die folgende Darstellung diesen CO2-Preis in Abhängigkeit vom Erdgaspreis. Oberhalb der Linie gibt es den Fuel Switch, darunter nicht.

CO2-Preis für Fuel Switch

Bei einem Erdgaspreis von 40 €/MWh bedarf es eines CO2-Preises von 100 €/EUA, um den Fuel switch zu ermöglichen. Bei einem Gaspreis von unter 16 €/MWh würden Gaskraftwerke auch ohne Emissionshandel günstiger produzieren als Steinkohlekraftwerke.

Wenn nun die Reduktionsvorgaben aus dem Emissionshandel eine Emissionsminderung durch den Fuel Switch aus Sicht der Marktteilnehmer erforderlich machen, so muss der Emissionspreis so weit steigen, bis die Grenze in obiger Darstellung erreicht ist. Steigt dann der Gaspreis, so muss der CO2-Preis weiter steigen. Das Ausmaß ist durch die obige Funktion vorgegeben. Somit ist eine Kopplung von Gas- und Emissionspreisen auf den ersten Blick sachlich begründet.

Die Sache hat nur einen entscheidenden Haken: Der CO2-Preis ist abgesehen von kurzen Zwischenperioden immer viel zu niedrig, um einen Fuel Switch zu bewirken. Aktuell liegt der Spotpreis Gas bei ca. 35 €/MWh. Für den Fuel Switch wäre nach obiger Darstellung ein CO2-Preis von ca. 80 €/EUA erforderlich, tatsächlich liegt er aber bei ca. 66 €/EUA. Für den Fuel Switch ist es unerheblich, ob der CO2-Preis 60 oder 70 €/EUA beträgt. Er findet nicht statt. Erst bei ca. 80 €/EUA wird es interessant. Damit gibt es in der konkreten Preiskonstellation aus Kohle-, Gas- und CO2-Preis für eine Korrelation von Gas- und CO2-Preis keine sachliche Begründung. Im Winter waren die Gaspreise noch viel höher und die Grenze zum Fuel Switch noch weiter weg.

Emissionshandel

Voraussetzung für die Korrelation von Gas- und CO2-Preisen ist zudem, dass die Möglichkeit des Fuel Switchs im Kraftwerkspark überhaupt besteht und zur Erreichung der Emissionsziele auch notwendig ist.

Derzeit sind die CAPs im EU-ETS1 leicht zu erreichen. Einerseits gibt es immer noch viele Zertifikate aus Vorjahren im Markt, andererseits ist auch 2024 nach den von der EU-Kommission veröffentlichten Zahlen der CAP um ca. 54 Millionen Zertifikate unterschritten worden. Der erneut starke Rückgang der Emissionen geht fast ausschließlich auf das Konto der Energiewirtschaft (-12%), während die Emissionen der Industrie konstant blieben. Der CAP sah maximal 1.311,6 Millionen Tonnen vor, tatsächlich waren es nur ungefähr 1.018 Mio. Tonnen.

Europaweit werden seit Jahren kontinuierlich in großem Umfang regenerative Stromerzeugungsanlagen errichtet, mit oder ohne Förderung. Hinzu kommen Energieeffizienz, Rückgang der industriellen Produktion und in einigen Ländern verstärkter Gaseinsatz anstelle von Kohle, z.T. aufgrund von politisch motivierten Abschaltungen von Kohlekraftwerken.

Es gibt somit aus dem EU-ETS1 heraus keine Notwendigkeit, Kohle durch Gas in Deutschland zu substituieren; es findet auch nicht statt. Dabei sind Gaskraftwerke vorhanden, die mit einer Ausweitung ihrer Erzeugungsmenge CO2 einsparen könnten. Für einen umfangreichen Ersatz von Kohlekraftwerken wären allerdings zusätzliche Gaskraftwerke notwendig. Durch einen verstärkten Einsatz von Gas anstelle von Kohle in der Stromerzeugung steigt der Erdgasbedarf. Da der Gasmarkt im Moment noch eher knapp ist, würde eine höhere Gasverstromung zu höheren Gaspreisen und verstärkter Abhängigkeit von Erdgasimporten führen.

Fazit

Die häufig im Markt zu beobachtende Korrelation von Gas- und CO2-Preisen ist so fundamental nicht gerechtfertigt. Erst, wenn die Preiskonstellation Gas-Kohle-CO2 einen bestimmten Wert erreicht, ergibt eine Korrelation ökonomisch Sinn. Derzeit ist ein Fuel Switch zur Erreichung der Emissionsziele im EU-ETS nicht notwendig.

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