Wasserstoff – das große Missverständnis

Der Wasserstoffhochlauf kommt nicht in Schwung. Zu Wasserstoff als Energieträger gibt es große Missverständnisse. Untenstehende Darstellung des Periodensystems ist kein „Fake“, sondern wird tatsächlich in einer deutschen Universität so verbreitet. Alle, die Chemie nicht zu ihren Kernkompetenzen zählen, seien darauf hingewiesen, dass Wasserstoff in allen anderen Periodensystemen in der ersten Gruppe steht. So merkwürdig wie dieses Periodensystem mutet auch das aktuelle Missverständnis von Wasserstoff als grünem Energieträger hierzulande an.

Wasserstoff im Periodensystem

Es gehört zu den aktuellen Dogmen deutscher und zum Teil auch europäischer Energiepolitik, dass Wasserstoff als Sekundärenergieträger vorerst nicht und später auch nur in zentralen Großkraftwerken eingesetzt werden darf. Auch wenn der Einsatz nicht explizit verboten ist, so führen die restriktive Definition von grünem Wasserstoff sowie die ausbleibende Förderung bei gleichzeitig massiver Förderung von Alternativtechnologien (Batterien, E-Autos, Wärmepumpen) zu einem Aschenputteldasein des Wasserstoffs. Dieser ist nur für stoffliche Zwecke wie in der Stahl- und Chemieindustrie mit gezielter Förderung vorgesehen.

Energieeffizienz

Begründet wird dies mit der schlechten Energieeffizienz und der mangelnden Verfügbarkeit von „grünem“ Wasserstoff. Beide Argumente sind nicht stichhaltig, denn solange regenerative Energie, von der es viel mehr als notwendig auf der Erde gibt, eingesetzt wird, kommt es nicht auf Energieeffizienz an, sondern auf die Kosteneffizienz, innerhalb derer die Energieeffizienz eine von mehreren Parametern ist. Mangelnde Verfügbarkeit von Wasserstoff ist eine Folge der Politik und gilt für fast alle Bausteine der klimaneutralen Energienutzung. Verfügbar ist, was produziert wird.

Es ist nicht erkennbar, warum der Wasserstoff zunächst in mit Milliardenbeträgen subventionierten Stahlwerken eingesetzt werden soll, obwohl dies auch erst zu einem viel späteren Zeitpunkt erfolgen könnte. Die Reihenfolge bei der Dekarbonisierung sollte gemäß dem Emissionshandel anhand der CO2-Minderungskosten bestimmt werden. In dieses System wird aber seitens der Politik nach Belieben mit Hilfe von CCFDs und anderen Förderprogrammen hineingegrätscht.

Die Energieeffizienz der Wasserstoffnutzung hängt von vielen Faktoren ab und zeigt eine große Bandbreite, was es bei politisch motivierten Studien leicht macht, sie mit entsprechenden Annahmen klein zu rechnen. Gerne wird die Elektrolyse in fernen Ländern (Namibia, Abu Dhabi) als Referenz verwendet. Rund ein Drittel der eingesetzten elektrischen Energie geht bei der Elektrolyse verloren – in Form von Wärme, bei Temperaturen um die 70 Grad Celsius. Um den Wasserstoff transportieren zu können, wird er in Ammoniak umgewandelt und verschifft. Bei der Anlandung muss der Wasserstoff in der Regel wieder aus dem Ammoniak „herausgeholt“ werden. Dann wird er über Pipelines transportiert.

Bei Verwendung in Wasserstofffahrzeugen muss der Wasserstoff stark komprimiert werden, was weitere Energieverluste mit sich bringt. Verfügt das Fahrzeug über eine Brennstoffzelle, nutzt diese rund 60% der eingesetzten Energie – solange die Abwärme zum Heizen oder zum Klimatisieren in einer Absorptionskälteanlage außen vor bleibt. Insgesamt ist die Energieeffizienz gering.

Wird der Wasserstoff hingegen in Deutschland erzeugt, so lässt sich schon bei der Elektrolyse die Abwärme in geeigneten Betrieben, Krankenhäusern oder als Wärmequelle in Nahwärmenetzen nutzen. Der Wasserstoff kann nach regionaler Speicherung in Brennstoffzellen genutzt werden, wobei die Abwärme wiederum größtenteils zum Heizen oder für Warmwasser genutzt werden kann. Die Brennstoffzellen sind erprobt und verfügbar. Alternativ können BHKW in der Industrie den Wasserstoff in Strom umwandeln und dabei die Abwärme nutzen. Das nennt man Kraft-Wärme-Kopplung, ein bewährtes Prinzip, alternativ auch mit Nutzung von Absorptionskälte. Bei diesen Prozessen liegt die Energieeffizienz leicht über 80% (bei entsprechendem Wärmebedarf).

Kosteneffizienz

Häufig ist zu hören, die Wasserstofferzeugung in Deutschland sei zu teuer, weshalb der Wasserstoff importiert werden soll. Das ist ein Widerspruch zu dem zuvor vorgebrachten Argument mangelnder Energieeffizienz. Entscheidend sind immer die Kosten. Es wird auch argumentiert, das Potenzial für regenerative Energien sei zu klein in Deutschland. Derartigen „Berechnungen“ ist zu misstrauen. Die Stromerträge bezogen auf die genutzten Flächen wachsen durch technologischen Fortschritt, und neue Technologien erschließen weitere Potenziale.

Wenn es um Kosteneffizienz geht, ist stets die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich Netzkosten und technischer Ausrüstung beim Nutzer (E-Auto, Wärmepumpe einschließlich Zähler, Steuerung etc.) aber ohne Steuern und Abgaben und Subventionen zu betrachten.

Die Stromnetze für den Wärmepumpenstrom müssen erst noch gebaut werden. Die teuerste Art, Energie zu transportieren und zu verteilen, ist in Form von Strom. Die Netze für den Wasserstoff sind größtenteils schon da oder kostengünstig und schnell zu bauen. Wärmepumpen benötigen zum Heizen sehr viel Second-Hand-Strom Long, also Strom, der bei Dunkelflaute aus wasserstoffgefeuerten Gaskraftwerken stammt. Ein weiterer Teil des Wärmepumpenstroms ist Second-Hand-Strom Short, also Strom, der zuvor in Batterien o.ä. gespeichert wurde. Beides ist bei der Energieeffizienz und vor allem den Kosten zu berücksichtigen.

Strom für Wasserelektrolyse ist hingegen schon aus ökonomischen Gründen und ohne, dass es dazu irgendwelcher Verordnungen bedarf, Just-in-time-Strom, größtenteils Strom, der anderenfalls abgeregelt würde oder in Speichern landet. Dementsprechend kostengünstig ist dieser Strom.

Vor allem aber ist Wasserstoff die Lösung für die Nutzung des schnell wachsenden PV-Überschussstroms im Sommer. Batterien taugen nun einmal nicht dazu, die Energie bis zum Winter zu speichern. Die Herausforderung besteht darin, dass Elektrolyseanlagen zwar grundsätzlich flexibel gefahren werden können, aber bei sehr dynamischer Fahrweise die Lebensdauer leidet. Es wird Zeit, Anlagen zu entwickeln, die die hohen Anforderungen des Strommarktes an die Dynamik erfüllen. Das ist möglich, Batterien, die Energie mehrere Monate zu vertretbaren Preisen speichern können, hingegen nicht. Nebenbei könnte sich Deutschland hier technologisch eine Spitzenposition erarbeiten.

Wasserstoffhochlauf

In der Politik glaubt man immer noch, der Wasserstoffhochlauf könnte am Reißbrett entworfen und nach einem langfristigen Masterplan umgesetzt werden. Diejenigen, die diesen Plan entworfen haben, haben selbst keinerlei unternehmerische Erfahrung vorzuweisen. Es kommt immer anders, als man denkt.

Wie ist denn das heutige Gasversorgungssystem entstanden? Gab es da einen Masterplan? Am Anfang haben Stadtwerke lokale Gasnetze für Gaslaternen, Kochgas und industrielle Anwendungen betrieben. Geliefert wurde kein Erdgas, sondern Stadtgas, das aus der Kohlevergasung gewonnen wurde.

Erst mit dem Aufkommen des Erdgases wurden Ferngasleitungen gebaut, lokale Netze verknüpft, Gaskugelspeicher durch Untergrundspeicher ersetzt und die Netze und Brenner auf Erdgas umgestellt. All dies ist ohne Eingreifen der Politik passiert.

Das Muster lässt sich so auf Wasserstoff übertragen. Zunächst wird der Wasserstoff lokal aus Stromüberschüssen gewonnen, bei Elektrolyse und Rückverstromung wird die Abwärme genutzt, oder der Wasserstoff wird einfach ins Erdgasnetz eingespeist. Nach und nach wird der eingesetzte Strom immer grüner und das Gasnetz immer kohlenstoffärmer. Die lokalen Netze werden verknüpft und Importmöglichkeiten geschaffen. Die Anwendungsfälle, die reinen Wasserstoff erfordern, kommen zuletzt an die Reihe und nicht an den Anfang.

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