In den seit Jahrzehnten stattfindenden Klimakonferenzen wird darüber gestritten, welche Länder welche Beiträge zum Klimaschutz zu leisten haben. Schwellenländer (zu Beginn gehörte China dazu) verweisen regelmäßig darauf, dass die Industrieländer für den Großteil der historisch emittierten Treibhausgasemissionen verantwortlich seien und ihre Länder wirtschaftlich bereits aufgebaut haben (Infrastruktur, Gebäude, Industrieanlagen). Das müsse auch ihnen zugestanden werden.
Das ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, lässt sich aber nicht quantifizieren. Um Einigungen zu ermöglichen hat der Westen, insbesondere die EU und Angela Merkel (deswegen wurde sie zwischenzeitlich Klimakanzlerin genannt) eine Vorreiterrolle der EU zugesagt, Europe First. Das ist lange her. Die EU hat seitdem zahlreiche und weitreichende Maßnahmen unternommen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Das ist auch gelungen. Wie obige Abbildung eindrucksvoll belegt, sind die energiebedingten CO2-Emissionen Pro-Kopf nur noch rund doppelt so hoch, wie die der Schwellenländer. Viel bemerkenswerter ist jedoch, dass alle anderen entwickelten Volkswirtschaften sehr viel höhere Pro-Kopf-Emissionen aufweisen als die EU. Bei China mag das mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der Tatsache, dass China für die ganze Welt Industrieprodukte von Stahl bis zu Solarmodulen herstellt, was in diesen Ländern zu entsprechenden CO2-Reduktionen führt, zu tun haben. Bei den USA, Japan, Russland (Eurasia) und dem mittleren Osten gilt das nicht. Offenkundig haben diese Länder weit weniger Anstrengungen als die EU unternommen.
Regelmäßig wird von ganz unterschiedlichen Seiten der europäische Emissionshandel als Wundermittel im Kampf gegen den Klimawandel über den grünen Klee gelobt. Die EU hat ihn 2005 eingeführt, vielfach überarbeitet und ist dabei, daneben ein zweites System aufzubauen. Leider macht im Rest der Welt kaum jemand mit. Von 100 Mrd. Dollar, die weltweit über Emissionshandelssysteme und CO2-Steuern 2023 vereinnahmt wurden, entfällt die Hälfte auf die EU, obwohl diese nur 7% der Emissionen verursacht (Quelle: WEO 2024).
Zwar gibt es in mehreren Ländern irgendeine Art der CO2-Bepreisung, aber in den maßgeblichen wie den USA, Russland oder Indien nicht. In China liegt der CO2-Preis bei 20 $/t (EU aktuell: 65 €/t). Auch die erfassten Sektoren unterscheiden sich erheblich. China hat sich dem für das 1,5-Grad-Ziel notwendigen Ziel der Klimaneutralität nicht angeschlossen, sondern diese erst für 2060 angepeilt, Russland ebenso, Indien sogar erst für 2070.
Deutschland hat ohnehin schon sehr viel für den Klimaschutz getan. Dass es heute überhaupt kostengünstige PV-Module gibt, liegt daran, dass Deutschland bereits seit über 20 Jahren einen dreistelligen Milliardenbetrag in deren Förderung (EEG) gesteckt hat und damit fast im Alleingang die Entwicklung der Produktionstechnologie für PV-Module finanziert hat.
Die Wirtschaft der EU ist in den letzten Jahren in der Entwicklung hinter den USA, China und anderen Ländern zurückgeblieben. Die Industrie, insbesondere in Deutschland, hat sich zum Exodus aufgemacht. Dem Klima hilft das nicht, denn die Produktion samt CO2-Emissionen erfolgt jetzt woanders. Klimaschutz und freier Welthandel sind nur miteinander vereinbar, wenn alle Länder bei den Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere der CO2-Bepreisung im Gleichschritt gehen. Die EU sollte sich hier nicht weiter vordrängeln, sondern die Mitbewerber erst einmal aufholen lassen.
In der Zwischenzeit können sich die Politiker in Brüssel und Berlin Gedanken darüber machen, wer sie wählt, wer sie bezahlt und wem sie primär verpflichtet sind. Hoffentlich fällt ihnen dabei auch eine Neuinterpretation von „Europe First“ ein, bevor andere mit einer dreckigen Interpretation von „First“ an die Macht kommen.