Warum die Energiepreise in Deutschland so hoch sind

Praktisch täglich werden die hohen Energiepreise in Deutschland und der EU für die Industrie beklagt. Das war allerdings auch vor 30 Jahren schon so, als es fast keine regenerativen Energien und keinen Klimaschutz gab.

Da muss man gleich mehrere Fragen stellen:

  1. Was ist mit Energiepreisen gemeint?
  2. Wessen Energiepreise sind gemeint?
  3. Warum sind die Energiepreise so hoch?

Seit jeher werden im allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe Energie und Strom durcheinandergeworfen. Batterien werden als Stromspeicher bezeichnet, obwohl sie chemische Energiespeicher sind, für Google sind Energie und Strom Synonyme, es wird von Energieerzeugung und Energieverbrauch gesprochen, was physikalisch Unsinn ist, Stromverbrauch und -erzeugung hingegen gibt es.

Mit Strom ist regelmäßig elektrische Energie gemeint. Daneben gibt es (u.a.) noch chemische Energieträger wie Mineralöl und Erdgas oder auch Wasserstoff, Wärmeenergie (auch in Form von Dampf) und mechanische Energie für Antriebe. Hat jeder in der Schule gelernt, wird aber einfach ignoriert. Sprachliche Klarheit ist eine Grundvoraussetzung für jede Diskussion.

Die Industrie benötigt immer Strom. Sehr viele Unternehmen benötigen außerdem Erdgas, sei es zur Wärmerzeugung oder zur Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung. Einige Unternehmen benötigen Kohle oder Mineralöl.

Es liegt die Vermutung nahe, dass in erster Linie Strom und manchmal auch Erdgas gemeint sind, wenn über hohe Energiepreise geklagt wird. Strom- und Erdgaspreise setzten sich aus den Komponenten Großhandelspreis, Vertriebsmarge, Netzentgelte und Umlagen, Abgaben, Steuern zusammen.

Bei den Großhandelspreisen wird bekanntlich zwischen Spot- und Terminpreisen unterschieden. Jedes Unternehmen hat seine eigene Beschaffungsphilosophie und entsprechend andere Temin- und Spotanteile im Portfolio und damit andere Durchschnittspreise. Die Verwendung von statistischen Durchschnitsspreisen besagt gar nichts.

Erdgas

2022 und 2023 waren die Erdgaspreise an den Terminmärkten sehr hoch. Es ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen heute noch anteilig diese hohen Preise zahlen. Abgesehen davon sind die Spot- und Terminpreise bei Erdgas einerseits sehr viel höher als im letzten Jahrzehnt und andererseits sehr viel höher als in den USA, allerdings sogar etwas niedriger als in Asien. Zwischen 2010 und 2019 kostete Erdgas im Schnitt am Spotmarkt gut 20 €/MWh, 2024 steuern wir auf ca. 33 €/MWh zu. Der Terminpreis für 2025 liegt bei fast 40 €/MWh.

Das Preisniveau sollte in den nächsten Jahren deutlich sinken, sofern es nicht disruptive Ereignisse gibt. Die internationale Energieagentur (IEA) geht bis 2030 von einem Überangebot an LNG und entsprechenden Preiskämpfen, so dass die Preise auf 20-bis 24 €/MWh sinken sollen. Ein Preisabstand zu den USA wird aber bestehen bleiben, weil dort die Kosten (und CO2-Emissionen) für den LNG-Transport entfallen. Hier würde nur eine eigene Erdgasförderung Abhilfe schaffen, die aber in bestimmten politischen Kreisen nicht gewünscht ist.

Die Vertriebsmarge und die Netzentgelte sind bei Erdgas von untergeordneter Bedeutung. Bei den Abgaben sind die Kosten für Emissionszertifikate relevant. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Anlagen mit weniger als 20 MW-Feuerungsleistung und solchen mit mehr als 20 MW. Letztere fallen unter den europäischen Emissionshandel (EU-ETS 1), während für kleinere Anlagen das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) gilt, das 2027 in ein anderes Emissionshandelssystem eingebunden werden soll (EU-ETS2). Für große Anlagen verteuert sich das Erdgas durch den Emissionshandel aktuell um ca. 13 €/MWh und für kleine Anlagen um ca. 11 €/MWh.

Das ist ganz erheblich. Nach Angaben der IEA sind 2023 weltweit Abgaben und Steuern auf CO2 in Höhe von 100 Mrd. $ erhoben worden. Die Hälfte davon entfällt auf die EU. Der Anteil der EU an den weltweiten, energiebedingten CO2-Emissionen beträgt nur ca. 7%. Hoffentlich ist in Brüssel jedem klar, was die Vorreiterrolle der EU beim Klimaschutz bedeutet: Nicht nur den Niedergang der europäischen Industrie, sondern auch den Export der CO2-Emissionen (Carbon Leakage) in Länder, wo es keine oder deutlich geringere CO2-Abgaben gibt.

Strom

Bei den Großhandelspreisen für Strom ist ebenfalls zwischen Termin- und Spotpreisen zu differenzieren und eine analoge Entwicklung wie beim Erdgas zu verzeichnen. Der mittlere Spotpreis steuert 2024 auf 75 €/MWh zu, in den Vorjahren beschaffte Terminmengen sind sehr viel teurer. Hinzu kommt, dass viele Industriebetriebe in den vergangenen Jahren PPA abgeschlossen haben, die aus heutiger Sicht und z.T. auch systematisch überteuert waren.

Der mittleren Spotpreis 2024 ist rund doppelt so hoch wie der Mittelwert zwischen 2010 und 2019. Die Großhandelspreise im Rest Europas sind nicht niedriger, nur Skandinavien macht eine Ausnahme. In Frankreich gibt es jenseits der Großhandelspreise im Strom einen separaten Subventionsmechanismus für die Industrie. Strompreise außerhalb Europas sind erheblich niedriger.

Die Hauptursache ist auch hier im Emissionshandel zu suchen. 2024 hat sich der Strom am Spotmarkt um 40-50 €/MWh durch den Emissionshandel verteuert. Der Emissionshandel verteuert auch die Eigenstromerzeugung. Hinzu kommen die hohen Erdgaspreise, die in vielen Lieferstunden, in denen Erdgaskraftwerke gemäß Merit Order-Prinzip den Strompreis bestimmen, die Stromerzeugung verteuern.

Das Angebot von Strom ist hingegen groß genug und in vielen Zeiten sogar viel zu groß (negative Spotpreise). Der Ausbau der regenerativen Stromerzeugung senkt die Strompreise. Ihre Kosten hingegen sind nicht von den Industrieunternehmen oder Stromverbrauchern, sondern über den Haushalt vom Steuerzahler zu bezahlen. Die Kosten für die Backup-Kraftwerkskapazitäten sind noch unbekannt, auch wer sie zu tragen hat.

Die Vertriebsmarge ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, ist aber immer noch von untergeordneter Bedeutung. Die Netzentgelte sind ebenfalls deutlich gestiegen. Ursachen sind die Redispatch-Kosten, der Ausbau der Stromnetze für die Aufnahme des regenerativen Stroms, allgemeine Kostensteigerungen und der rückläufige Stromverbrauch. Für einige Unternehmen kommt bald hinzu, dass ihnen die bisherigen Privilegien beim Netzentgelt gestrichen werden sollen.

Die Redispatch-Kosten resultieren aus den unzureichenden Netzkapazitäten und könnten durch mehrere Strompreiszonen reduziert werden. Mehrere Industrieverbände haben sich dagegen ausgesprochen und ein Eigentor geschossen.

Das Netzentgeltniveau in Deutschland war schon vor der Energiewende deutlich höher als in vergleichbaren europäischen Ländern. Dagegen ist nie etwas unternommen worden, was sich jetzt rächt. Fast 1000 Netzbetreiber sind volkswirtschaftlich ineffizient und ihre tatsächlichen Renditen viel zu hoch. Bei den Netzentgelten gibt es viele Ansatzpunkte für Kosteneinsparungen. Darüber wird aber nicht einmal diskutiert. Durch den Netzausbau werden die Netzentgelte noch deutlich ansteigen.

Bei den Abgaben, Umlagen und Steuern ist das Bild sehr diffus. Die EEG-Umlage ist abgeschafft, wovon viele Unternehmen nicht viel haben, weil sie ohnehin fast keine gezahlt haben, die Stromsteuer ist für produzierende Unternehmen pauschal auf 0,05 ct/kWh abgesenkt worden, für die anderen bleibt es bei 2,05 ct/kWh. KWK-, §19- und Offshore-Netzumlage steigen in Summe, aber nicht alle Unternehmen sind davon betroffen.

Für einige Branchen (Grundstoffindustrie) gibt es die Strompreiskompensation. Danach erhalten entsprechende Unternehmen den CO2-Kostenanteil im Strompreis erstattet. Unternehmen aus anderen Branchen gehen leer aus. Dieser Mechanismus soll durch einen Carbon Border Adjustement Mechanism (CBAM) ersetzt werden. Es gibt dann keine Kompensation mehr, aber (theoretisch) müssen Importeure ebenfalls für CO2 bezahlen.

Fazit

Strom- und Erdgaspreise sind tatsächlich gegenüber der letzten Dekade deutlich gestiegen, wobei die Unternehmen ganz unterschiedlich betroffen sind. Die Preistreiber sind aber nicht die regenerativen Energien, sondern der Emissionshandel, die Stromnetzentgelte, veränderte Abgabenstrukturen, hohe Erdgaspreise und Fehlentscheidungen beim Portfoliomangement. Gegen letztere gibt es Abhilfe, wie es überhaupt Möglichkeiten gibt, Energiebeschaffungskosten zu senken, die unbekannt sind oder einfach nicht genutzt werden.

Der Rest ist Aufgabe der Politik. Unternehmensverbände können einen Beitrag leisten, indem sie fachlich fundiert Fehlsteuerungen aufzeigen und Lösungsmöglichkeiten anbieten. Da gibt es noch Luft nach oben.

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