Profilfaktoren für Wind-Stromerzeugung an Land

Insbesondere mit Hinblick auf PPA ist die Frage des Wertes von Windstrom gemessen am Großhandelsmarkt von großem Interesse. Es hat sich durchgesetzt, das Lieferprofil des Windstroms gegen die Stundenpreise des Spotmarktes laufen zu lassen und so einen mengengewichteten Mittelwert zu ermitteln.  Im EEG wird dies als Marktwert bezeichnet. Dieser Marktwert wird in Relation zum arithmetischen Mittelwert der Spotpreise in dem jeweiligen Lieferzeitraum (entspricht dem Wert für ein Base-Lieferprofil) gesetzt. Das Ergebnis wird als Profilfaktor, Marktwertfaktor oder relativer Marktwert bezeichnet. Es gilt:

Profilfaktor = Marktwert des Windstromprofils / Spotpreis für Base-Lieferprofil

Üblich sind Monatswerte und Jahreswerte. Da die Windstromerzeugung inzwischen einen signifikanten Einfluss auf das Stromangebot hat, sinken gemäß dem Prinzip von Angebot und Nachfrage bei hoher Windeinspeisung bei viel Wind die Spotpreise, während bei sehr wenig Wind die Spotpreise stark steigen. Deswegen liegen die Profilfaktoren in der Regel unter 1, anders ausgedrückt, Windstrom ist weniger wert als eine Base-Lieferung. Nachfolgende Abbildung zeigt das Phänomen eindrucksvoll.

Für den Zeitraum vom 24. Bis 31.12.2023 sind die Windstromerzeugung aus Offshore- und Onshore-Windkraft sowie die zugehören Spotpreise (Linie) dargestellt. Die Daten finden sich auf dem Portal der Bundesnetzagentur (smard.de).

Die Profilfaktoren hängen zum einen von den jeweiligen Marktparametern und zum anderen von der Windkraftanlage, ihrer Betriebsweise und ihrem Standort ab. In Deutschland sind die Windstrommengen im Winter höher als im Sommer, bei den Solarstrommengen, ist es umgekehrt. Daraus folgt, dass die Profilfaktoren von Windstrom im Sommer höher sind als im Winter, weil die Spotpreise im Sommer in hohem Maße von der Solarstromerzeugung dominiert werden und die Windstromerzeugung zweitrangig ist. Im Winter ist der Stromverbrauch höher als im Sommer, was sich durch die Verbreitung von Wärmepumpen verstärken wird. Damit ist auch das Spotpreisniveau im Winter höher als im Sommer, sofern nicht die Entwicklung von Kohle-, Gas- und CO2-Preisen dem entgegensteht.

Die Berechnung von Jahresprofilfaktoren kann auf zwei Arten erfolgen: entweder mit obiger Formel oder durch eine mengengewichtete Durchschnittsbildung über die zwölf Monatswerte. Die zweite Methode hat den Vorteil, dass sie den Effekt zufälliger Schwankungen in den Kohle-, Gas- und CO2-Preisen eliminiert. So war in 2022 das Sommerhalbjahr gut 100 €/MWh teurer als das Winterhalbjahr, was nicht an der Windstrommenge lag. Die erste Berechnungsart führt deswegen zu drastisch niedrigeren Jahres-Profilfaktoren für Wind (und überhöhten für PV-Strom).

Neuere Windkraftanlagen mit höheren Naben und verbesserten Flügelprofilen weisen höhere Profilfaktoren auf als ältere Anlagen. Noch wichtiger ist jedoch die Frage, ob die Anlage bei negativen Spotpreisen oder durch Redispatch-Maßnahmen des Netzbetreibers abgeregelt wird. Bei negativen Spotpreisen ergibt der Betrieb einer Windkraftanlage auf den ersten Blick ökonomisch keinen Sinn. Tatsächlich laufen die allermeisten Anlagen jedoch zumindest bei leicht negativen Spotpreisen weiter, wie obige Darstellung belegt. Zwischen 24. und 25.12. waren die Spotpreise 36 Stunden am Stück negativ, eine Reduzierung der Windstromerzeugung ist jedoch nicht erkennbar.

Durch konsequentes Abschalten bei negativen Spotpreisen steigt der Profilfaktor des Erzeugungsprofils deutlich an. Es ist deswegen bei dem Profilfaktor stets anzugeben, unter welchen Bedingungen Abschaltungen vorgenommen wurden bzw. werden sollen. Auch Abschaltungen (oder Leistungsreduzierungen) durch den Netzbetreiber aufgrund von Netzengpässen erhöhen den Profilfaktor, weil diese in aller Regel bei hohen Windstrommengen und entsprechend niedrigen Spotpreisen erfolgen. Windkraftanlagen auf See haben höhere Profilfaktoren, weil der Wind dort gleichmäßiger weht.

Die nachfolgende Darstellung zeigt die Profilfaktoren für die Onshore-Windstromerzeugung in Deutschland 2023 auf Monatsbasis und den Jahreswert aus den mengengewichteten Monatswerten für die tatsächliche Erzeugung (die z.T. auch Abschaltungen beinhaltet) und für eine konsequente Abschaltung bei negativen Spotpreisen. Auffällig sind die Werte über 1 im Mai und Juni, die darauf zurückzuführen sind, dass die Solarstromerzeugung an vielen Tagen die Spotpreise gedrückt hat – nur nicht an den windreichen, von denen es ohnehin nicht viele gab. Stochastische Effekte sorgen für eine Streubreite der Profilfaktoren. Der Dezember weist regelmäßig sehr niedrige Profilfaktoren auf. Das liegt an dem geringen Stromverbrauch im letzten Dezemberdrittel in Verbindung mit dem in Deutschland um die Zeit meist anzutreffenden windreichen Wetter.

Die Entwicklung der so ermittelten Jahreswerte für die Profilfaktoren seit 2018 zeigt das folgende Bild. In den Jahren 2020 und 2023 gab es besonders viele Stunden mit negativen Spotpreisen (niedriger Verbrauch), weshalb die Unterschiede zwischen den Werten mit und ohne Abschaltung besonders groß sind, wohingegen 2022 wegen des geringen Angebotsüberhangs am Strommarkt nur ein geringer Unterschied besteht. Trotz starker Schwankungen ist eine grundsätzlich sinkende Tendenz unverkennbar, was auf den weiteren Zubau an Windkraftanlagen und die damit verbundene, stärkere Dominanz der Spotpreise im Winterhalbjahr durch die Windstromerzeugung zurückzuführen ist.

Dieser Effekt wird in den kommenden Jahren zunehmen. In den von den Übertragungsnetzbetreibern in Auftrag gegebenen Mittelfristprognosen wird stets von höheren Marktwertfaktoren ausgegangen als hier gezeigt. Ein Grund dafür ist nicht erkennbar.

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