Sind Erneuerbare Energien billig?

Seit einigen Jahren wird landauf, landab behauptet, regenerative Energie sei billig, inzwischen sogar die billigste Energieform überhaupt.

Warum brauchen wir dann noch einen Emissionshandel, ein EEG, Förderprogramme an allen Ecken und Enden, haben trotzdem die höchsten Strompreise und warum geht es mit Wärmepumpen und E-Autos nicht so recht voran? Die Antwort ist ganz einfach: Regenerative Energie ist eben nicht kostengünstig, sondern viel teurer als fossile Energie. Erneuerbare Energien sind nur deswegen die erste Wahl, weil die Nutzung fossiler Energien einen Treibhauseffekt nach sich zieht und damit das Klima erwärmt und unsere natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet.

Als unternehmerisch Verantwortlicher weiß man, dass es nie eine gute Idee ist, Kunden zu belügen. Damit lässt sich kurzfristig der Umsatz ankurbeln, das zerstörte Vertrauen sorgt aber langfristig für den Niedergang des Unternehmens. Deswegen ist es keine gute Idee, den Menschen einzureden, Energienutzung werde künftig nicht nur sauberer, sondern auch noch billiger und planbarer. Da sich diese Falschbehauptung früher oder später, zum Teil ja heute schon, als falsch herausstellen wird, wird das Vertrauen der Menschen in die regenerativen Energien und diejenigen, die diese Mythen verbreitet haben, sehr leiden.

Wie ist es aber nun zu diesem Mythos gekommen, dass regenerative Energie so kostengünstig ist? Ein Ausgangspunkt ist eine Studie vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) vom Juni 2021. Auf diese Studie hat sich der Wärmepumpenminister a.D. im Sommer 2022 bezogen. Seitdem wird diese Behauptung ungeprüft überall aufgegriffen und weiterverbreitet. Die Studie ist 2024 aktualisiert worden. Der Direktor des Institutes ist seit 2020 Vorsitzender des Expertenrates für Klimafragen der Bundesregierung.

Inhalt der Studie

Die Studie trägt den Titel “Stromgestehungskosten erneuerbare Energien”. Exemplarisch seien hier die Aussagen zur Solarstromerzeugung herausgegriffen.

Die Stromgestehungskosten für eine PV-Anlage in Deutschland werden in der Studie mit 3,12 ct/kWh (Freifläche) bis 11,01 ct/kWh (Dachanlage) angegeben. Bis 2040 wird ein Absinken der Kosten für Freiflächenanlagen auf 1,92 ct/kWh bis 3,52 ct/kWh und für kleine Dachanlagen auf 3,58 bis 6,77 ct/kWh prognostiziert. Ab 2024 würden die Stromgestehungskosten aller PV-Anlagen unter 10 ct/kWh liegen. Es wurden auch für andere erneuerbare Energien und fossile Kraftwerke Stromgestehungskosten sowie deren Prognosen bis 2040 angegeben. Bei fossiler Stromerzeugung wird jeweils der CO2-Preis bzw. dessen Prognose in die Kosten einbezogen.

In der Studie von 2024 wurden die Stromgestehungskosten von PV-Anlagen mit 4,1 bis 14,4 ct/kWh angegeben, mithin also rund 30% höher als noch 2021. Das sagt viel über den Wert der Studie aus. Für 2045 werden Kosten von 3,1 bis 5 ct/kWh für Freiflächenanlagen und 4,9 bis 10,4 ct/kWh für kleine Dachanlagen angegeben.

Kritikpunkte

Die genannten Studien sind aus vielerlei Gründen zu kritisieren.

  1. Stromerzeugung ist kein Selbstzweck, sondern dient der Deckung des Strombedarfs. Es kommt nicht darauf an, irgendwann und irgendwo Strom möglichst billig zu produzieren, sondern das benötigte Verbrauchslastprofil am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Der zunächst scheinbar „billige“ PV-Strom müsste um Batteriespeicher und Wasserstoffinfrastruktur in erheblichem Ausmaß ergänzt werden, um den Strombedarf zu decken. Erst dann sähe man die wahren Gesamtkosten. Grimm et al. haben darauf mit Recht nachdrücklich hingewiesen. Die Kosten für eine Stromversorgung mit ausschließlich regenerativer Energie liegen sehr viel höher. Nur Stromgestehungskosten zahlenmäßig zu vergleichen, ist der berühmte Apfel-Birnen-Vergleich. Wissenschaftlich formuliert: es kommt auf LCOLC (Levelized Cost of Load Coverage) nicht auf LCOE (Levelized Cost of Electricity) an. Dieser Erkenntnis verweigern sich aber die Autoren der ISE-Studie weiterhin.
  2. Es ist nicht zielführend, jeweils die niedrigsten Kosten einer Technologie zum Maßstab zu machen. Entscheidend ist der Durchschnittswert. Die Freiflächenanlagen machen eben nur einen kleinen Teil aus, das meiste sind Kleinanlagen, die vielfach höhere Stromgestehungskosten aufweisen.
  3. Die prognostizierte Absenkung der Kosten für PV-Anlagen ist nicht ansatzweise begründet. Es wird mehr oder weniger davon ausgegangen, dass sich die Entwicklung der vergangenen Jahre in abgeschwächter Form fortsetzt. Bei solchen Annahmen ist früher oder später mit negativen Preisen der Module zu rechnen. Hier werden Kosten und Preise verwechselt. Modulpreise sind je nach Marktsituation Schwankungen unterworfen. Langfristige Preissenkungen sind nur zu erwarten, wenn die Produktionskosten weiter reduziert werden können. Dafür bräuchte es aber technische Fortschritte, die niedrigere Materialkosten, Energiekosten oder Anlagenkosten ermöglichen. Das wird nicht einmal diskutiert. Warum die Anlageninstallation, Wechselrichter, Handwerkerlöhne, Befestigungsmaterial, Pachten oder Zinsen weiter sinken sollen, erschließt sich nicht.
    Die EEG-Vergütungen und Ausschreibungsergebnisse 2024 zeigen deswegen gegenüber 2021 einen deutlichen Anstieg der Werte, sogar noch über die Zahlen der Studie aus 2024 hinaus. Für Freiflächenanlagen betrugen sie im Mittel rund 5 ct/kWh.
  4. Die Netzkosten wurden vollständig ausgeblendet. Tatsächlich verursachen regenerative Energien aber deutlich höhere Netzkosten, was sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte. Dabei geht es nicht nur um den Transport des Windstroms nach Süddeutschland, sondern ebenso um den Abtransport des dezentralen Solarstroms aus niedrigen Spannungsebenen.
  5. Die ganze Studie ist ein Musterbeispiel für zielorientiertes Rechnen. Da sie vom ISE kommt, muss natürlich auch herauskommen, dass Solarstrom am billigsten ist. Das ganze Werk ist eine Ansammlung von methodischen Fehlern, willkürlichen Annahmen und falschen Zahlen. So wird z.B. die mittlere Volllaststundenzahl von PV-Anlagen in Deutschland mit 1.105 h/a angegeben, ein Wert, der sich so nicht finden lässt.

Klimaschutz ist mit der Dekarbonisierung der Stromerzeugung noch lange nicht erledigt. Der Einsatz von Strom im Wärmemarkt und im Verkehr anstelle von Erdgas und Mineralölprodukten führt hier zu deutlich steigenden Gesamtkosten. Deswegen geht es trotz zahlreicher Förderungen gerade hier nur sehr langsam voran.

Der mittlere Strompreis im Großhandel sinkt trotzdem durch den Ausbau der regenerativen Energien. Allerdings steigen dafür die Kosten aus der EEG-Umlage im Bundeshaushalt, und zwar nicht zu knapp und für viele, viele Jahre.

Die Studie betrachtet nur die Kosten neuer Anlagen. Gefördert wird aber über 20 Jahre, d.h. wir werden noch viele Jahre die hohen Kosten der Vergangenheit und Gegenwart für regenerative Energien bezahlen.

Es sagt viel über die Funktionsweise unserer heutigen Mediengesellschaft aus, dass die Behauptung, erneuerbare Energie sei die billigste Energieform, trotzdem überall zu lesen ist. Wenn es nur oft genug wiederholt wird, glauben es am Ende alle. So hat man auch jahrzehntelang den Menschen eingeredet, dezentrale Kleinst-PV-Anlagen wären kostengünstig, weil sie Netzkosten einsparen. Das Gegenteil ist richtig.

Regenerative Energien müssen sein, auch wenn Energie dann teurer wird. Gerade deswegen ist es aber wichtig, für Kosteneffizienz zu sorgen.

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