Strompreiskompensation

Der Beihilfe-Mechanismus der Strompreiskompensation wird in energiepolitischen Verlautbarungen häufig zitiert, doch außer denjenigen Unternehmen, die davon heute schon profitieren, wissen nur wenige, was es damit auf sich hat. Da die Strompreiskompensation (SPK) künftig ausgeweitet werden soll, lohnt es sich, hier einmal genauer hin zu sehen.

Ziel der SPK ist die Vermeidung von Carbon-Leakage, also der Abwanderung von THG-Emissionen ins Ausland, wo es keine so hohen CO2-Kosten wie in der EU gibt. Die Strompreise im Großhandel werden durch den Emissionshandel massiv verteuert. Diese Verteuerung soll kompensiert werden. Grundlage sind die Beihilfeleitlinien der EU zur Kompensation indirekter CO2-Kosten. Wie nicht anders zu erwarten, ist das ganze sehr kompliziert und wird auch regelmäßig geändert.

Aktuell sind folgende Branchen erfasst; selbständige Unternehmensteile sind ebenfalls berechtigt:

  • Erzeugung von Roheisen und Stahl
  • Erzeugung und erste Bearbeitung von Aluminium, Kupfer, Blei, Zinn, Zink und anderen NE-Metalle
  • Eisengießereien
  • Mineralölverarbeitung
  • Herstellung von Wasserstoff und anorganische Sauerstoffverbindungen der Nichtmetalle
  • Herstellung von Matten und Vliesen aus Glasfasern
  • Herstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien
  • Herstellung von Polyethylenglykole und andere Polyetheralkohole, in Primärformen
  • Herstellung von Papier, Karton und Pappe
  • Herstellung von Holz- und Zellstoff
  • Herstellung von Lederbekleidung

Die im Strompreis enthaltenen Kosten aus dem Emissionshandel werden durch den CO2-Emissionsfaktor und den durchschnittlichen CO2-Zertifikatspreis (EUA) angenähert. Der CO2-Emissionsfaktor für Mittelwesteuropa wurde von der EU auf 0,72 t CO2/MWh festgelegt, soll aber 2025 überprüft werden. Dieser Wert gilt auch für Eigenerzeugung. Die durchschnittliche CO2-Intensität des Stroms in Deutschland lag 2024 nicht einmal bei der Hälfte des genannten Wertes.

Die tatsächlichen CO2-Kosten im Strompreis hängen aber nicht von der durchschnittlichen CO2-Intensität des Strommixes, sondern von den CO2-Emissionen des jeweiligen Grenzkraftwerkes, das gemäß Merit-Order zur Bedarfsdeckung eingesetzt wird, ab. Dieser Wert liegt deutlich höher als die durchschnittliche CO2-Intensität. Deswegen ist ein höherer CO2-Emissionsfaktor gerechtfertigt. Wie hoch genau der ist, lässt sich erst im Nachhinein mit Mühe und Unschärfe bestimmen. Für die Bewertung der mit neuen Stromanwendungen (Wärmepumpen, E-Autos) verbundenen CO2-Emissionen ist ebenfalls der höhere CO2-Emissionsfaktor der Grenzemissionen maßgeblich und nicht wie regelmäßig anzutreffen, der Durchschnittswert.

Der CO2-Preis entspricht dem arithmetischen Mittelwert der Terminnotierungen im Jahr vor dem Abrechnungsjahr für EUA mit Lieferung im Dezember des Abrechnungsjahres. Für das Abrechnungsjahr 2024 beträgt dieser Wert 89,29 €/EUA. Es wird somit unterstellt, dass Unternehmen den Strom im Vorjahr beschafft haben. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen bei der Strombeschaffung ggfs. Maßnahmen ergriffen werden, um das aus dieser zeitlichen Abweichung entstehende Risiko zu neutralisieren.

Damit werden in der SPK 0,72 t CO2/MWh * 89,29 €/EUA = 64,29 €/MWh an CO2-Kosten im Strompreis angesetzt. Der durchschnittliche Spotpreis lag 2024 unter 79 €/MWh, also bliebe für den Strompreis ohne CO2-Handel weniger als 15 €/MWh übrig. Das wäre ein sensationell günstiger Strompreis. Tatsächlich liegen die Stromkosten auch ohne Emissionshandel höher.

Standardmäßig werden nur 75% der aus dem Emissionshandel kalkulatorisch ermittelten Kosten kompensiert. Zusätzlich können die Kosten bis auf 1,5% der Bruttowertschöpfung gedeckelt werden.

Es kommt nicht auf die tatsächlichen Stromverbräuche des Unternehmens an, sondern auf das Produkt aus Produktionsmenge und festgelegten produktspezifischen Stromeffizienzbenchmarks (MWh/t Produkt). Es besteht also ein Anreiz, die Stromeffizienz zu steigern. Für Primäraluminium wurden z.B. 13,9 MWh/t und für Mineralwolle 0,536 MWh/t festgesetzt.

Im ersten Schritt erhält ein Hersteller von Primäraluminium somit für 50.000 t Al

0,75 * 0,72 t CO2/MWh * 89,29 €/EUA *13,9 MWh/t Al *50.000 t = 33,5 Mio. €.

Die Politik erwartet Gegenleistungen von den Unternehmen. Die Unternehmen müssen ein Energiemanagementsystem betreiben und identifizierte Maßnahmen zur Effizienzsteigerung mit einer Investitionssumme mindestens in der Höhe der Beihilfen umsetzen. Alternativ kann das Unternehmen 30% seines Stroms aus regenerativen Energien beziehen. Hierbei muss es sich um eine physikalische Lieferung über Bilanzkreise handeln. Einfache Herkunftsnachweise reichen nicht. Hier liegt der Grund, weshalb im PPA-Markt regelmäßig Preise gezahlt werden, die zu deutlich höheren Stromkosten führen als beim Bezug über „graue“ Standardterminprodukte und Spotmengen.

Es besteht im Übrigen kein Anspruch auf die Förderung. Das Umweltbundesamt als zuständige Behörde entscheidet aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens. Wenn die Haushaltsmittel nicht mehr reichen, wird gekürzt. Überhaupt wird alles erst im Nachhinein geregelt, so sind die Regeln für das Abrechnungsjahr 2023 erst im März 2024 bekanntgegeben worden. Schlimmstenfalls haben die Unternehmen investiert und bekommen dann doch keine Beihilfen.

Spätestens jetzt weiß jeder, warum die Industrie fortlaufend Planungsunsicherheit beklagt. Wer hat sich denn so etwas ausgedacht? Ampel und Wärmepumpenminister haben zwar großspurig Strompreishilfen für die Industrie gefordert und angekündigt, nur geliefert haben sie nicht.

  • Know-how
  • News