Union und SPD haben im Koalitionsvertrag auch die Eckpunkte der Energiepolitik der künftigen Bundesregierung festgeschrieben.
Es gibt im Vergleich zum Sondierungspapier wenig Neues. Noch haben die Parteien dem Koalitionsvertrag nicht zugestimmt, die Regierung ist noch nicht gewählt und was tatsächlich und konkret am Ende beschlossen wird, ist noch einmal eine andere Frage. Außerdem stehen alle Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt.
Ein in sich schlüssiges und stringentes, energiepolitisches Konzept enthält der Koalitionsvertrag nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Mischung aus Formulierungen der jeweiligen Wahlprogramme und der Fortführung bislang schon existierender Regelungen. Viele Maßnahmen sind zu nebulös, um sie jetzt schon bewerten zu können. Angesichts der zum Teil weit auseinanderliegenden Vorstellungen der Parteien, der Notwendigkeit, Kompromisse zu schließen und der Priorisierung anderer Themen (Sicherheit, Demokratiefeinde etc.), war aber nicht mehr zu erwarten. Auch an der Tatsache, dass viele Themen in Brüssel liegen, kommt die Bundespolitik nicht vorbei.
Es gibt ein paar Ansätze, Dinge besser zu machen, als es bislang der Fall war, aber ökonomische Vernunft, konsequente Marktorientierung, Technologieneutralität und Maßnahmen, die die Kosten senken, sind kaum zu finden. Stattdessen werden die Preise durch staatliche Subventionen gesenkt und bestenfalls ein weiterer Kostenanstieg verhindert.
Strommarkt
Die Kernkraftwerke bleiben abgeschaltet, neue Kernkraftwerke nicht erwähnt. Der erste Kernfusionsreaktor soll aber in Deutschland stehen. Deutschland bleibt eine Strompreiszone. Bis Sommer sollen die Ergebnisse eines Monitorings hinsichtlich Strombedarfs, Versorgungssicherheit, Netzausbau, Ausbau EE und Wasserstoff vorliegen. Das gibt es alles schon vielfach. Offenkundig wird danach weiterhin Planwirtschaft betrieben.
Die Energiepreise sollen dauerhaft um mindestens 5 ct/kWh sinken, die Stromsteuer wird sofort auf das europäische Mindestmaß gesenkt (0,05 ct/kWh). Umlagen und Netzentgelte sollen reduziert und dauerhaft gedeckelt werden. Das wird teuer. Die Netzkosten werden in den kommenden Jahren massiv steigen. Unternehmen, die von § 19 (2) Satz 2 StromNEV profitieren, sollen weiterhin entlastet werden. Wie auch immer. Netzentgeltreform? Fehlanzeige.
Die Strompreiskompensation wird dauerhaft fortgeführt und auf weitere Branchen, insbesondere Rechenzentren ausgeweitet. Für Unternehmen, die anderweitig nicht entlastet werden können (für die Strompreiskompensation gibt es eine abschließende Branchenliste der EU), wird ein Industriestrompreis im Rahmen der beihilferechtlichen Möglichkeiten eingeführt. Alles klar.
Bis 2030 sollen bis zu 20 GW Gaskraftwerkskapazitäten im Rahmen eines überarbeiteten, technologieoffenen und marktwirtschaftlichen Kapazitätsmechanismus gebaut werden. Hier sollen auch Speicher, KWK-Anlagen, Flexibilitäten und Biomasseanlagen eingebunden werden. Das KWK-Gesetz wird modernisiert.
Am ursprünglichen Zeitplan aus der Ära Merkel zum Kohleausstieg wird festgehalten (die Ampel wollte noch früher raus). Die Geschwindigkeit des Ausstiegs wird an den tatsächlichen Zubau der Gaskraftwerke gekoppelt. Anlagen in der Kraftwerksreserve sollen künftig auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen. Was schon da ist, sollte man auch nutzen. Der Interpretationsspielraum in der Formulierung ist allerdings gigantisch.
Die Überbauung am Netzverknüpfungspunkt soll möglich sein. Der Smart-Meter-Rollout soll vereinfacht und beschleunigt werden. Das wird seit zehn Jahren versucht. Neue Stromautobahnen sollen soweit möglich als Freileitungen gebaut werden. Da es keinen Vorrang für Freileitungen gibt, gibt es künftig jahrelangen Streit, was denn nun gemacht werden soll. Netzanschlüsse sollen billiger werden. Wie? Die Möglichkeiten für Direktleitungen sollen räumlich ausgeweitet werden.
Bidirektionales Laden von E-Autos wird unterstützt. Es sollen Anreize geschaffen werden, damit Energiespeicher und große Verbraucher sich dort ansiedeln, wo es netzdienlich ist. Nutzen statt Abregeln soll erleichtert werden. Mit mehreren Strompreiszonen oder kostenorientierten Netzentgelten ist das überflüssig.
Die Beteiligung des Staates an Übertragungsnetzbetreibern (Thema TenneT) und anderen strategischen Energieunternehmen wird geprüft. Zur Finanzierung der Investitionen in die Energieinfrastruktur soll ein Investitionsfonds aufgelegt werden. Wäre schön, wenn sich Privatanleger mit Kapital an der Energiewende beteiligen könnten.
Erneuerbare Energien sollen irgendwann marktfähig sein. Die europarechtlich notwendige Weiterentwicklung des EEG wird nicht näher spezifiziert. Die Subventionen gehen also weiter, das ist auch erforderlich.
Die Nutzung von Kombinationen aus PV und Batteriespeicher sollen netz- und systemdienlich angereizt werden. Theoretisch gut, wird aber an der Kleinteiligkeit scheitern oder richtig teuer. Auch das Schlagwort „Energy Sharing“ haben Lobbyisten erfolgreich untergebracht, aber ohne Inhalt.
Mit Hinblick auf Flächenschonung werden doppelt genutzte Flächen (Agri-, Parkplatz- oder Floating-PV) bevorzugt. Billiger wird es dadurch nicht.
Es wird geprüft, ob das Referenzertragsmodell bei Schwachwindstandorten nicht zu teuer ist. Dazu müssten die Netzentgelte einbezogen werden. Bei Offshore-Windkraftanlagen soll die parallele Anbindung mit Strom- und Wasserstoffleitungen ermöglicht werden. Die gegenseitige Verschattung der Anlagen soll vermieden werden. Wird auch Zeit.
Biomasse soll weiterhin auch zur Stromerzeugung genutzt werden, auch als Biogas. Angeblich besteht hier ein Flexibilitätspotenzial. Hier wurde erfolgreiche Lobbyarbeit geleistet. Biomassekraftwerke werden bis heute trotz bestehender Anreize nur im Dauerbetrieb genutzt und tragen gar nicht zur Flexibilisierung bei. Dafür sind sie aber sehr teuer. Die Bioenergie kann anderweitig viel sinnvoller genutzt werden.
Die Abhängigkeit von amerikanischen Gasimporten und eine mögliche Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen bleiben unerwähnt, aber eine Diversifizierung der Gaslieferungen wird angestrebt. Die Gasspeicherumlage wird abgeschafft. Konventionelle Erdgasförderung im Inland soll genutzt werden. Gasleitungen sollen für die Wärmeversorgung erhalten bleiben. Der Wärmepumpenminister wollte sie schnellstmöglich „rückbauen“.
Wasserstoff
Das Wasserstoffkernnetz wird auch nach Osten und Süden ausgebaut, Verteilnetze werden einbezogen. Es wird klimafreundlicher Wasserstoff aus verschiedenen Quellen genutzt, also auch blauer und möglicherweise türkiser Wasserstoff. 100% grüner Wasserstoff ist das langfristige Ziel. Die Ampel hat ausschließlich grünen Wasserstoff erlaubt und die Definition für „grün“ so eng gefasst, dass der Hochlauf nicht in Schwung kam. Die Wasserstofferzeugung soll zentral und dezentral (was mit Hinblick auf die Abwärmenutzung sinnvoll ist) erfolgen. Wasserstoffimport (auch als Derivate) bleibt das zweite Standbein. Die Zertifizierung von klimafreundlichen Energieträgern wird neu gestaltet. Das ist dringend notwendig.
Die Rolle von Wasserstoff im Strommarkt, Wärmemarkt oder Verkehr wird gar nicht thematisiert.
Klimaschutz
Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 wird bestätigt, es steht auch im Grundgesetz. Bei der Bilanzierung sollen auch Negativemissionen und in geringem Umfang Emissionsreduktionen in Drittländern berücksichtigt werden. Auch DAC (Direct Air Capture, also das „Einfangen“ und Speichern von CO2 aus der Atmosphäre) soll einbezogen werden. Sektorziele werden nicht adressiert.
Beim CO2-Handel wird eine ökonomisch tragfähige Preisentwicklung verfolgt. Ich dachte, der Preis bildet sich am Markt. Auch beim EU-ETS 2 sollen Preissprünge vermieden werden. Den Satz „Dabei wollen wir einen fließenden Übergang des deutschen BEHG in das ab 2027 europäisch wirkende Emissionshandelssystem (ETS 2) gewährleisten.“ kann man so interpretieren, dass es für 2026 keinen separaten, nationalen Handel geben soll. Auch beim ETS2 soll es einen Sozialausgleich und einen Wettbewerbsschutz für stark betroffene Branchen geben.
Die Abwanderung von energieintensiven Unternehmen in Länder mit niedrigeren Klimaschutzstandards (Carbon Leakage) soll mit dem von der EU geplanten CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) verhindert werden. Notfalls sollen doch wieder kostenlose Zuteilungen von CO2-Zertifikaten erfolgen. Bislang gibt es die Wettbewerbsneutralität nicht.
Es sollen Leitmärkte für klimaneutrale Produkte, z.B. für grünen Stahl, geschaffen werden, z.B. durch Quotenregelungen. Klimaschutzverträge (CCFD) werden fortgesetzt. CCS (Carbon Capture and Storage) soll für schwer vermeidbare THG-Emissionen, Gaskraftwerke und auch Stahlherstellung ermöglicht werden – auch an Land. Die Ampel wollte dies nur im Meeresboden erlauben.
Verkehr und Wärmemarkt
Die Rücknahme des Verbrennerverbots ist nicht vorgesehen; Vorgaben zur E-Auto-Quote wird es nicht geben. E-Mobilität soll mit Kaufanreizen gefördert werden. Das zusätzliche Dienstwagenprivileg für E-Autos soll künftig bis 100.000 € Listenpreis gelten. Daneben gibt es Sonderabschreibungsmöglichkeiten, die KFZ-Steuer-Befreiung bis 2035 und ein Programm für Haushalte mit geringem Einkommen, das aus dem EU-Klimasozialfonds finanziert wird. Plug-In-Hybride und E-Fahrzeuge mit Range-Extender sollen gefördert werden.
Die Batteriefertigung (in Deutschland) einschließlich Rohstoffen und Recycling wird gefördert. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für PKW und LKW soll beschleunigt werden. Eine Wasserstoff-Ladeinfrastruktur hingegen wird nur für Nutzfahrzeuge gefördert. Der Anspruch der Technologieoffenheit ist damit ad absurdum geführt.
Das Heizungsgesetz wird abgeschafft. Das neue Gebäudeenergiegesetz soll flexibler, einfacher und technologieoffener werden. Die Sanierungs- und Heizungsförderung wird fortgesetzt.
Bewertung
In jedem Fall wird kurzfristig eine ganze Lawine von neuen Gesetzen und Gesetzesänderungen losgetreten. Vieles wird anders, manches kann nur besser werden, ob es einfacher wird, bleibt abzuwarten. Bis die Regelungen da sind, herrscht investitionshemmende Unsicherheit.
Die Ausbauziele des EEG sind nicht explizit thematisiert worden. Im Rahmen der überarbeiteten Strombedarfsprognose könnten Kürzungen drohen. Bei Onshore-Windkraft ist die Gefahr gering, weil die Ausbauentwicklung den Zielen immer noch hinterherhumpelt. Bei Solarenergie hingegen sind Einschränkungen denkbar. Kleine Dachanlagen sind ohnehin viel zu teuer und verursachen viele Probleme. Die Betreiber von EE-Anlagen sind gut beraten, wenn sie ihren Strom verstärkt zur Wasserstofferzeugung nutzen, anstatt ihn in nicht aufnahmefähige Netze zu Zeiten, in denen der Strombedarf schon gedeckt ist, einspeisen zu wollen.
Zumindest bei der Versorgungssicherheit gibt es Verbesserungen. Die Stromkosten werden für Menschen und Unternehmen bezogen auf das aktuelle Niveau ebenfalls sinken, allerdings für mache Unternehmen nur wenig, denn sie sind heute schon von vielen der zu senkenden Kosten befreit. Die volkswirtschaftlichen, spezifischen Gesamtkosten der klimaneutralen Energienutzung hingegen werden so nicht sinken. Die Anpassung von Kapazitäten an niedrigere Energieverbräuche senkt zwar die absoluten Kosten, nicht aber die spezifischen.
Eine Abkehr von bestehenden Strukturen und Systemen enthält der Koalitionsvertrag eben so wenig wie neue Ideen. Marktorientierung, Technologieoffenheit und Kosteneffizienz werden zwar gefordert, aber im nächsten Satz wieder konterkariert. Es bleibt nur zu hoffen, dass im Zuge der Gesetzgebungsverfahren und der konkreten Ausgestaltungen dann wirklich einmal fachliche und wirtschaftliche Vernunft Vorrang erhalten, ein paar Dummheiten ausbleiben und noch ein paar gute Ideen dazu kommen.