Benchmark Strombeschaffung

Der Erfolg einer Strombeschaffungsstrategie muss mit Benchmarks gemessen werden. Wenn die Strompreise schon hoch sind, kann es sich kein Unternehmen leisten, durch suboptimale Einkaufsentscheidungen noch mehr zu bezahlen als notwendig. Bei der Bestimmung der Benchmarks sind mehrere Dinge zu beachten.

Stochastik

Insbesondere in einem regenerativ dominierten Stromsystem sind auch die Jahresmittelwerte der Strompreise starken stochastischen Einflüssen unterworfen. Vor allem die Windstromerzeugung, aber auch Solarstromerzeugung, Wasserkraft und Stromverbrauch sind in hohem Maße wetterabhängig. Leider gibt es regelmäßig weder einen Ausgleich im Jahresverlauf noch über verschiedene Regionen noch über die Energieträger. Häufig kommt alles zusammen, wie 2022 im Negativen (aus Käufersicht) und 2023 im Positiven.

Da diese Schwankungen nicht prognostizierbar sind, gibt es keine verlässlichen Strompreisprognosen, sondern nur Prognosen, die für „normale“ Wetterbedingungen gelten. Wird das Wetter dann nicht „normal“, stimmt die Prognose nicht und die Beschaffung war in der Regel nicht optimal. Deswegen müssen bei der Bewertung der Strombeschaffung immer mehrere Lieferjahre betrachtet werden, mindestens drei.

Über mehrere Jahre gleichen sich stochastische Schwankungen wieder aus. Es ist wie beim Würfeln. Jede der sechs Augenzahlen hat die gleiche Wahrscheinlichkeit. Theoretisch ist bei sechs Würfen eine Sechs dabei, in der Praxis jedoch nicht immer. Nach 96 Würfen jedoch sind recht sicher 16 Sechsen dabei.

Über lange Zeiträume ist die reine Spotbeschaffung am kostengünstigsten. Allerdings gilt das nicht für jedes einzelne Jahr. Die Spotpreise können im Gegenteil die Terminpreise weit übersteigen. Dieser Effekt wird in den Folgejahren regelmäßig überkompensiert. Im Zeitraum 2006 bis 2024 war der Spotmarkt im Mittel 7 €/MWh billiger als der Terminmarkt. Der Spotpreis stellt somit einen wichtigen Vergleichsmaßstab für den erzielten, durchschnittlichen Beschaffungspreise (ohne Netzentgelte, Abgaben, Umlagen, Regelenergie, Vertriebsmarge, Herkunftsnachweise etc.) dar.

Spot- und Terminpreise Base 2006-2024

Risikomanagement

Nur selten lässt das Risikomanagement eine hundertprozentige Spotbeschaffung zu. Sowohl Stromverbraucher als auch Energieversorger benötigen in gewissem Umfang Planungssicherheit und haben deswegen Restriktionen bei der Strukturierung der Beschaffung zu beachten. Der Benchmark muss diese Restriktionen abbilden. Die Differenz zwischen dem realisierten Preis und dem Spotpreis lässt sich als Prämie für die Planungssicherheit deuten.

Standardterminprodukte, meist als Jahresprodukte, aber auch Quartale und Monate sowie zunehmend PPA, häufig mehrjährig, werden in die Beschaffung einbezogen. Werden ausschließlich Jahresprodukte genutzt, so ist der mittlere Preis im möglichen Handelszeitraum als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Für den mittleren Preis gibt es zwei mögliche Ansätze: den arithmetischen Mittelwert der Handelsnotierungen oder den mengengewichteten Mittelwert.

Preise und Handelsvolumen Base 2025

Handelsvolumina sind nur für Börsengeschäfte verfügbar. Da große Teile des Terminhandels außerhalb der Strombörsen stattfinden, sind die Börsenvolumina nur begrenzt aussagekräftig. Am Beispiel Base 2025 zeigt sich, dass zumindest für dieses Produkt das Handelsvolumen sich Anfang 2024 vervielfacht hat. Angesichts des Preisverlaufs ergibt sich ein erheblicher Unterschied zwischen dem arithmetischen und dem mengengewichteten Mittelwert der Preisnotierungen. Eine Lösung könnte in der pauschalen, unterschiedlichen Gewichtung der Handelsjahre liegen.

Werden die arithmetischen Mittelwerte verwendet, so ergibt sich für die zurückliegenden Jahre folgendes Bild:

Benchmark Strompreise bis 2025

Die bisherigen Betrachtungen beziehen sich nur auf Baselieferungen, während tatsächliche Beschaffungsprofile eine hiervon abweichende Charakteristik aufweisen. Hier empfiehlt es sich, mit Profilfaktoren (auch als Marktwertfaktoren bezeichnet) zu arbeiten. Ein Profilfaktor setzt den Wert eines Lieferprofils am Spotmarkt ins Verhältnis zum Wert eines Baseprofils. Verbrauchsprofile haben in aller Regel Profilfaktoren über 1.

Kalkulationsdateien zur Bestimmung des Profilfaktors gibt es hier für 2023 und 2024.

Beispiel 2024

Der Profilfaktor für ein Lieferprofil betrage 1,05. Das Risikomanagement begrenzt den Spotanteil auf 30%. Der Rest ist in den drei Lieferjahren vorher in Form von Jahresbaseprodukten zu einem Durchschnittspreis von 92 €/MWh beschafft worden. Da der Mittelwert der Preise in den drei Jahren bei 121 €/MWh lag, ist durch geschickte Wahl der Einkaufszeitpunkte ein Vorteil von 29 €/MWh erzielt worden.

Der mittlere Spotpreis 2024 (Baseprofil) lag bei 78,5 €/MWh. Für das Spotprofil (Lieferprofil abzüglich Terminmenge) ergibt sich dann ein Durchschnittspreis von 91,6 €/MWh. Der Gesamtdurchschnittspreis liegt dementsprechend bei 91,9 €/MWh. Der reine Spotbezug hätte 82,4 €/MWh gekostet. Für die Planungssicherheit wurden somit 9,5 €/MWh bezahlt.

Die aufgezeigte Methodik lässt sich auch zur Bewertung von PPA heranziehen. Für die Einspeisezeitreihe des PPA wird mit Hilfe obiger Dateien der Profilfaktor ermittelt. Der PPA-Preis ist ggfs. um Anteile für Herkunftsnachweise zu reduzieren. Kosten für Regelenergie der PPA-Einspeisung hingegen sind nicht abzuziehen. Sofern sie nicht im Preis enthalten sind, müssen sie separat ermittelt und addiert werden.

Eine durchschnittliche Windkraftanlage hatte 2024 einen Profilfaktor von 0,846. Bei einem Spotpreis für ein Baseprofil von 78,5 €/MWh und bei pauschal 3 €/MWh Regelenergiekosten betrug der Marktwert für den Windstrom somit 63,4 €/MWh. Soweit PPA-Preise hierüber lagen, sind die Aufschläge als Prämie für die Planungssicherheit zu werten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein PPA weit weniger Planungssicherheit garantiert als ein Standardterminprodukt. Für ein PV-PPA mit einem durchschnittlichen Profilfaktor von 0,588 liegt der Marktwert bei 43,2 €/MWh.

Bei mehrjährigen PPA müssen selbstredend alle Lieferjahre berücksichtigt werden.

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