Energiepolitik: Wahlprogramme 2025 Union und Grüne

Kaum eine andere Branche ist so von der Politik geprägt und abhängig wie die Energiebranche. Insbesondere in Deutschland wird das Thema Energie als Spielfeld für grundsätzliche,  politische Abgrenzungen genutzt. Pragmatische Lösungen bleiben dabei ebenso auf der Strecke wie Kontinuität, die angesichts der langen Planungs- und Investitionszyklen bei Energieanlagen dringend geboten wäre. Auch wenn Wahlprogramme und tatsächliche Politik am Ende meistens wenig miteinander zu tun haben, geben sie doch einen Eindruck, was kommen könnte. Wir stellen deswegen die energiepolitischen Versprechungen ernstzunehmender Parteien vor. CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben schon etwas veröffentlicht, bei den Grünen handelt es sich noch um einen Entwurf.

Die Lektüre der Wahlprogramme (gilt für alle) kann nicht empfohlen werden, die Mischung aus realitätsfernem Wunschdenken, Selbstbeweihräucherung, Phrasendrescherei und fehlender Konkretisierung ist nur schwer zu ertragen. Finanzierungsfragen werden ebenso ausgeblendet wie Fragen der (europa)rechtlichen Zulässigkeit. Eine Kommentierung (in kursiv) kann deswegen nicht unterbleiben.

Energiepolitische Vorstellungen von CDU/CSU

  • Alle regenerativen Energien, namentlich Sonne, Wind (onshore und offshore), Wasser, Biomasse (insbesondere Holz) und Geothermie sollen technologieoffen und ideologiefrei genutzt werden. Ein beachtlicher Fortschritt, nachdem man in der Vergangenheit den Ausbau insbesondere der Windkraft nach Kräften behindert hat.
  • Technologieoffener Kapazitätsmarkt. Wäre schön, aber wie genau?
  • Es soll bei einer Strompreiszone in Deutschland bleiben. Ökonomisch und politisch falsch, aber Söder muss ja ruhiggestellt werden.
  • Strommarktdesign: die Terminmärkte sollen für mehr Preisstabilität weiterentwickelt werden. Weil wir für den Markt sind, greifen wir da ein. Was genau gemeint ist, bleibt unklar, möglicherweise sollen hier PPA irgendwie gefördert werden.
  • Beim Netzausbau sollen Freileitungen genutzt werden. Es war die Union (Merkel und Seehofer), die den Irrsinn der Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen erfunden hat.
  • Am Kohleausstiegsgesetz wird festgehalten, weitere Abschaltungen von Kohlekraftwerken soll es erst geben, wenn Ersatz (Gaskraftwerke) bereitsteht. Macht Sinn.
  • Wiederinbetriebnahme der Kernkraftwerke soll geprüft werden. Die Union hatte 2011 ihre Abschaltung beschlossen.
  • Stromsteuer und danach Netzentgelte sollen gesenkt werden, die Finanzierung soll über die Einnahmen aus dem Emissionshandel erfolgen. Vor den Netzentgelten sollten KWK-Umlage und Konzessionsabgabe verschwinden. Eine Subventionierung der Netzentgelte steht im Widerspruch zur Technologieneutralität.
  • Die Netzentgelte sollen reformiert werden, aber die Subvention nach § 19 (2) Satz 2 StromNEV (intensive Netznutzung) soll erhalten bleiben. Das ist ein Widerspruch in sich. Kostenorientierte und zeitvariable Netzentgelte sind dringend notwendig, die intensive Netznutzung ist das Gegenteil davon. Ihre Beibehaltung ist zudem wohl nicht mit EU-Recht vereinbar.
  • Das Gebäudeenergiegesetz soll zurückgenommen werden, die Bürger sollen selbst und technologieoffen entscheiden können, wie sie heizen. Mittel zum Zweck soll die CO2-Bepreisung mit einem sozialen Ausgleich sowie „verlässliche Förderung“ sein. Die CO2-Bepreisung liegt ab 2027 bei der EU, es sei denn die Union möchte hier noch etwas drauflegen. Ob das dann schon einen Umstieg von fossilen Energieträgern bewirkt, ist offen.
  • Für Grüngas und Grün-Heizöl soll es Quotenregelungen und keine projektbezogenen Subventionen (CCFD) geben. Im Wahlprogramm von 2021 fand die Union Carbon Contracts for Difference (CCFD) noch gut.
  • Der Wasserstoffhochlauf soll durch mehr Pragmatismus und europäische Zusammenarbeit realisiert werden. Das Wasserstoffkernnetz soll den Süden Deutschlands besser erschließen. Hier kann es nur besser werden. Hoffentlich ist damit die Aufweichung der engen Definition von grünem Wasserstoff und der Import von Wasserstoff per Pipeline aus Nordafrika gemeint.
  • Forschung soll sich auf alle Technologien erstrecken, einschließlich Kernenergie und Kernfusion. Alles andere wäre eine Verneinung der Wissenschaftsfreiheit. An der Kernfusion forscht Deutschland auch heute. Für die nahe Zukunft spielen beide Technologien keine Rolle.
  • An dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 soll zwar festgehalten werden, dabei aber die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die soziale Verträglichkeit erhalten bleiben. Bislang haben die massiven Klimaschutzmaßnahmen in der EU vor allem eine Verlagerung der CO2-Emissionen ins außereuropäische Ausland zur Folge gehabt (Carbon-Leakage). Wie das jetzt auf einmal verhindert werden soll, bleibt unklar.
  • Der Emissionshandel soll umgestaltet, auf alle Bereiche ausgeweitet und in die Welt hinausgetragen werden. Warum das 20 Jahre nach Einführung des Emissionshandels auf einmal gelingen soll, ist unklar. Ohnehin sind ab 2027 die meisten Bereiche erfasst, aber in zwei getrennten Systemen, die nicht kompatibel sind und deswegen sehr unterschiedliche Preise haben werden. Für das EU-ETS1 sind die Regeln bis 2029 fixiert. Wie und was die Union in Brüssel bewirken will, ist unklar.
  • Das Verbrenner-Aus soll rückgängig gemacht werden, Tempolimit wird abgelehnt, Abgasgrenzwerte sollen überprüft und die Ladesäuleninfrastruktur ausgebaut werden. Wer kauft dann noch ein Elektroauto?
  • CCS/CCU soll umfassend ermöglicht werden. Was heißt umfassend?

Fazit

Das ist vom Ansatz her (Marktwirtschaft, Technologieneutralität, Kosteneffizienz etc.) alles schön, aber an keiner Stelle konkret. Es gibt nicht einmal eine Aussage zur Weiterentwicklung des EEG, das aufgrund von EU-Vorgaben reformiert werden muss.

Energiepolitische Vorstellungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

  • Die Stromsteuer soll auf das europäische Minimum abgesenkt und die Kosten für das Übertragungsnetz vom Bund übernommen werden. Es waren die Grünen, die die Stromsteuer („Ökosteuer“) erfunden haben.
  • Die Strompreiskompensation soll fortgeführt und ausgebaut werden. Da muss die EU zustimmen.
  • Die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland soll gefördert und neue Importquellen erschlossen werden. Den Import zu organisieren war die Aufgabe der letzten drei Jahre, wurde aber nicht gelöst. Die enge Definition von grünem Wasserstoff soll offenkundig erhalten bleiben, dann wird der Hochlauf weiterhin nicht funktionieren.
  • Klimaneutralität soll durch einen Mix aus Emissionshandel, Einzelsubventionen (Klimaschutzverträge, CCFD) und Verboten (Ordnungsrecht) erreicht werden. Den Emissionshandel mit Einzelsubventionen zu konterkarieren ist ungefähr so, als würde man die Abseitsregel für Stürmer aufheben.
  • CCS/CCU soll für kaum vermeidbare Emissionen erlaubt sein. Bislang ist eine inländische Speicherung nicht erlaubt. Ob das so bleiben soll, ist unklar. CCS aus fossilen Kraftwerken ist offenkundig nicht vorgesehen.
  • In Europa produzierte, verbrauchsarme E-Autos sollen durch eine Ladekarte für das Laden an öffentlichen Säulen, eine steuerliche Förderung für kleine und mittlere Einkommen und einem Social-Leasing-Programm gefördert werden. Klingt ganz einfach. Dann importieren wir statt der Autos nur noch die Batterien.
  • An den sektorspezifischen Klimaschutzzielen soll festgehalten werden. Kennt das Klima Sektoren? Oder kommt es da nur auf die Gesamtmenge an?
  • Tempolimit (130 km/h auf Autobahnen und möglichst 30 km/h in Ortschaften). Gehört zur DNA der Grünen, bringt wenig Emissionsminderung (ca. 2 Mio. t/a), aber viel Unmut in der Bevölkerung.
  • Energy Sharing soll gefördert werden. Das ist reine Klientelpolitik, Energy Sharing bringt nur Bürokratie.
  • Förderung von Eigenversorgung und PPA sollen die Energie für die Wirtschaft billig machen. Strom aus neuen EE-Anlagen ist teurer als Bezug am Markt.
  • Es soll dezentrale Preissignale geben, aber es soll bei einer Strompreiszone bleiben. Da kommt das nächste Bürokratiemonster im Stile von Nutzen statt Abregeln.
  • Der Strommarkt soll reformiert und Kapazitätsmärkte eingeführt werden. Nur wie und wieso soll es dadurch billiger werden?
  • Freileitungen sollen wieder Standard werden und Erdkabel die Ausnahme sein. Höchstspannungsleistungen in der Erde sind wie goldene Wasserhähne im sozialen Wohnungsbau.
  • Die Netze sollen durch eine andere Finanzierung kostengünstiger werden. Gemeint ist hier, die Kosten den kommenden Generationen aufzubürden. Das Mittel ist das sogenannte Amortisationskonto. Es wird so getan, als müssten anderenfalls die Investitionen in die Netze sofort bezahlt werden, als gäbe es keine Abschreibungen.
  • Kohleausstieg bis 2030. Das wird wohl nichts, die Strompreisspitzen lassen grüßen. Hier geht es um Symbolpolitik, nicht um Emissionsminderung.
  • Keine Erdgasförderung in Deutschland. Besser man nimmt das klimaschädlichere LNG aus Qatar, das macht uns resilient und unabhängig von Autokratien.
  • Die Wärmepumpenförderung soll ausgebaut werden. Geld ist ja genug da, man kann es von kommenden Generationen stehlen. Eine Wärmepumpe hält ja mindestens 100 Jahre.
  • Auf jeder Stromrechnung muss künftig der Durchschnittsstrompreis angegeben werden, um die Verbraucher vor hohen Strompreisen zu schützen. Ernsthaft? Leben die noch in dieser Welt?
  • Es soll ein Klimageld ohne vorherige Beantragung auf das Konto ausgezahlt werden. Kriegt man das dann pro Konto?

Fazit

Es soll genauso weitergehen, wie in den letzten drei Jahren, deren Energiepolitik maßgeblich von den Grünen geprägt war. Selbstkritik oder Kurskorrekturen sind nicht erkennbar. Es wird zwar laufend von Bürokratieabbau geredet, aber jeder weiß, dass das nur für selektive Bereiche gilt, während ansonsten die Bürokratie in den letzten Jahren durch den Green Deal und Unmengen von neuen, komplizierten Vorschriften für Energie und Klimaschutz massiv ausgeweitet worden ist.

Die Netzentgeltstruktur wird überhaupt nicht adressiert, obwohl hier der Schlüssel zur (zu Recht) immer wieder geforderten Flexibilisierung von Erzeugung, Verbrauch und Speichern liegt. Die Verlierer bei einer kostenorientierten und zeitvariablen Netzentgeltstruktur wären allerdings die PV-Anlagenbetreiber, also die Klientel der Grünen. Auch bei den Grünen gibt es kein Wort zum EEG.

Die umfangreichen Subventionen sollen von den kommenden Generationen bezahlt werden, d.h. es sollen in noch größerem Umfang als ohnehin schon neue Schulden gemacht werden.

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