Negative Strompreise

Seit vielen Jahren wird das Phänomen der negativen Spotpreise beklagt. Halbherzige Versuche gegenzusteuern sind erfolglos geblieben, im Gegenteil, das Problem ist viel größer geworden und wird weiter zunehmen.  Die Politik hat kürzlich Maßnahmen auf den Weg gebracht, die wenig Wirkung zeigen werden.

Im Jahr 2000 wurde mit dem EEG als Nachfolgeinstrument zum Stromeinspeisegesetz die Erzeugung und Einspeisung von regenerativ erzeugtem Strom gefördert. Wann und wo der Strom erzeugt wurde, spielte keine Rolle.

Mitte des letzten Jahrzehnts wurden im EEG mit der Direktvermarktung und der Reduzierung der Einspeisevergütung bei mehreren Stunden negativer Preise sowie der Schaffung einer technischen Möglichkeit für Netzbetreiber und Direktvermarkter, die EE-Anlagen zentral zu steuern, Maßnahmen ergriffen, den Wildwuchs einzudämmen.

Mit den Balkonkraftwerken werden alle diese Bemühungen konterkariert. Sie sind eine Rückkehr zu unkontrollierter Erzeugung, wann und wo auch immer. Auch sonst ist in Sachen Integration der EE-Einspeisung und Flexibilitätsanreizen nicht viel passiert. Das moderne Strommarktdesign lässt auf sich warten, das Netzentgeltsystem ist verstaubt.

Wie kommt es zu negativen Spotpreisen?

Ökonomisch ergeben negative Preise auf den ersten Blick keinen Sinn. Stromerzeugungstechnologien mit negativen Grenzkosten gibt es nicht. In weiten Zeitbereichen gibt es im Sommer ein Überangebot an Strom, maßgeblich verursacht durch die PV-Kegel, da helfen auch Exporte ins Ausland nicht, denn auch dort gibt es PV-Anlagen und die Netzkapazitäten sind begrenzt. Dass trotz negativer Spotpreise Strommengen am Markt angeboten werden, hat drei Ursachen:

  1. Die Spotpreise kommen bei Anlagenbetreibern und Verbrauchern nicht an.
  2. Technische Restriktionen stehen einer kurzfristigen Abschaltung entgegen.
  3. Ersparte Netzentgelte oder Abgaben verschieben den Break-Even für den Anlagenbetreiber in Richtung negativer Spotpreise.

Zu 1.) Bei allen Kleinanlagen ohne Leistungsmessung, vorwiegend PV, Altanlagen, die vor der Verpflichtung zur Direktvermarktung in Betrieb genommen wurden, bei vielen PPA (die z.T. mit zu wenig Sachverstand abgeschlossen wurden) oder auch bei BHKW zur Eigenversorgung (in Kombination mit Festpreisen für den Strombezug) gibt es keinerlei finanziellen Anreiz, die Erzeugung bei negativen Spotpreisen zu reduzieren. Die installierte Leistung im Segment der ungesteuerten Anlagen steigt weiter an.

Zu 2.) Große thermische Kraftwerke (fossil oder Biomasse) können nicht beliebig steile Lastgradienten fahren und müssen z.T. mit einer Mindestleistung in Betrieb bleiben. PV-Stromerzeugung hat extrem hohe Lastgradienten. Vor und nach dem Peak werden ggfs. wieder thermische Kraftwerke benötigt. Diese laufen dann durch und verdienen das Geld in den Zeiten vor und nach den negativen Preisen.

Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung können mitunter wegen der Wärmelieferverpflichtung nicht abgeschaltet werden. Auffällig ist, dass die gesamte Stromerzeugung aus Biomasse keinerlei Rückgänge in der Stromerzeugung bei negativen Spotpreisen zeigt, obwohl Biomasseanlagen Grenzkosten deutlich über Null haben. Das ist ökologische und ökonomische Verschwendung.

Zu 3.) Jede für Eigenversorgung genutzte Stromerzeugungsanlage generiert für den Anlagenbetreiber im Vergleich zum Strombezug Vorteile durch die Einsparung von Netzentgelten (einschließlich Umlagen) und Stromsteuer. Das sind schnell 5 ct/kWh. Solange diese in Summe größer sind als der Betrag des negativen Spotpreises läuft die Anlage weiter.

Was würde helfen?

Hier erschallt sofort der Ruf nach mehr Speichern, also Batterien, verbunden mit Subventionen natürlich. Batterien bei Kleinanlagen helfen nicht, denn sie sind bislang nicht zielführend gesteuert. Bis es Standardschnittstellen gibt, die die Batterien mit dem Strommarkt, dem Netzbetreiber, der PV-Anlage, der Wallbox und der Wärmepumpe verbinden, vergehen sicher noch ein paar Jahre. Alles andere sind nur kurzfristige und kostspielige Einzellösungen.

Im Übrigen hat die größte Haushaltsbatterie auch nur eine Kapazität von 13 kWh. Eine 10-kW-PV-Anlage produziert an einem sonnigen Sommertag rund 50 kWh mehr als im Haus benötigt (ohne Wallbox und Wärmepumpe). Wie obige Darstellung zeigt, gibt es einen großen Bedarf, Strom vom Wochenende auf die anderen Tage zu verschieben, wozu Batterien nicht geeignet sind.

Der massive Ausbau stationärer Batterien auf Lithium-Ionen-Basis dürfte zudem zu Engpässen bei der Lithium-Versorgung und zu noch größerer Abhängigkeit von China führen. Die massenhafte Nutzung knapper Rohstoffe hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Da wartet man besser auf Natrium-Ionen-Batterien und beschränkt sich derweil auf Großbatterien, die vernünftig gesteuert werden.

Das Fördersystem für neue EE-Anlagen muss schnellstmöglich grundlegend geändert werden. Dabei muss u.a. der PV-Ausbau an den Bedarf dynamisch angepasst werden, mit anderen Worten: solange große Teile der Stromerzeugung nicht genutzt werden können, wird der Ausbau verlangsamt. Eine Nutzung könnte auch in der Erzeugung von Wasserstoff liegen. Inzwischen hat auch der Wärmepumpenminister erkannt, dass seine Definition von „grünem“ Wasserstoff einer Blockade des Wasserstoffhochlaufs gleich kommt.

Das Netzentgeltsystem muss umgehend grundlegend geändert werden. Die Stromsteuer muss weg (übergangsweise für alle Stromverbraucher auf die EU-Mindeststeuer von 0,05 ct/kWh absenken). Die Verbreitung von intelligenten Zählern muss durch Vereinfachung beschleunigt und prioritär bei Haushalten mit PV-Anlage, Batterie, Wallbox oder Wärmepumpe erfolgen. Andere Verbraucher haben ohnehin kaum Flexibilitätspotenziale.

Flexibilitiätsanreize für Verbraucher bestehen nur bei spotpreisgekoppelten Stromlieferverträgen. Anstatt diese zu fördern, werden gerade Verpflichtungen zu Festpreisen in das Energiewirtschaftsgesetz geschrieben. Zuletzt müssen auch die Entschädigungsregelungen beim Redispatch überprüft werden.

Egal wie tief die Spotpreise sinken, ein paar thermische Kraftwerke (ggfs. fossile) werden immer laufen. Einerseits ergibt sich die Notwendigkeit aus den unzureichenden Netzkapazitäten, andererseits sind immer ein paar große rotierende Maschinen notwendig, um die Frequenz von 50 Hertz zu halten. Das findet aber keinen Niederschlag in den Spotpreisen, sondern findet im nachgelagerten Redispatch-Prozess statt.

Ach ja, wenn die negativen Spotpreise wegfallen, steigt natürlich das durchschnittliche Preisniveau an. Ob das dann für den Stromverbraucher relevant ist, hängt von seinem Lastprofil ab.

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