Die klassische Unterscheidung von Stromarten erfolgt nach physikalischen Gesichtspunkten in Gleichstrom und Wechselstrom, beide lassen sich nach Spannung und letztere zusätzlich nach Frequenz differenzieren.
Seit der Liberalisierung der Strommärke Ende der Neunziger Jahre gibt es eine Unterscheidung nach der Herkunft des Stroms in „guten“ und „bösen“ Strom. Gut ist der regenerative, „grüne“ Strom, böse der fossile, „graue“ Strom. Bei der Kernenergie streiten sich die Geister. Die Herkunft des Stroms wird durch Herkunftsnachweise dokumentiert.
Bei hohen Anteilen von Wind- und Solarstrom im Strommix gewinnt ein weiteres Differenzierungskriterium an Bedeutung, nämlich die Frage, ob der Strom direkt während der Erzeugung verbraucht wird oder zunächst in anderen Energieformen zwischengespeichert wurde.
Strom, der direkt verbraucht wird, bezeichnen wir als Just-in-Time-Strom. Strom, der aus einer Speichertechnologie stammt, bezeichnen wir als Second-Hand-Strom. Just-in-Time-Strom ist in der Erzeugung relativ kostengünstig, Second-Hand-Strom wird ein Vielfaches kosten.
Das Phänomen der Speicherung existiert schon sehr lange und wird in Pumpspeicherkraftwerken genutzt. Pumpspeicherkraftwerke nutzen mechanische Energie als gespeicherte Energie und glätten den Lastunterschied im Tagesverlauf. Dadurch können Kraftwerkskapazitäten, die nur für sehr kurze Zeiträume benötigt werden, eingespart werden. Trotz der energetischen Verluste beim Ein- und Ausspeicherungsprozess (zusammen >20%) ergibt sich ein Kostenvorteil.
Pumpspeicher können jedoch nur wenige Stunden und kaum mehr als einen Tag die Energie speichern. Gleiches gilt für Batterien. Tatsächlich werden in dem in Deutschland angestrebten System aber in großem Stil Langzeitspeicher benötigt, die die Energie für viele Tage, Monate und sogar Jahre (für windarme Jahre) speichern.
Hierfür ist chemische Energie, die durch Elektrolyse gewonnen wird, die einzige Möglichkeit. Als Energieträger dienen Wasserstoff und seine Derivate. Die energetischen Verluste sind für diese Langzeitspeicherung sehr viel höher als bei Kurzzeitspeichern, die Kostenstrukturen sind anders. Außerdem gibt es für Wasserstoff und seine Derivate auch Anwendungsgebiete außerhalb des Energiemarktes (Stahlherstellung, Chemieindustrie), so dass es zu einer Kopplung mit anderen Märkten kommt.
Deswegen ist es sinnvoll, den Second-Hand-Strom noch einmal zu differenzieren, in Second-Hand-Short und Second-Hand-Long Strom. Long beginnt ungefähr ab einem Tag Speicherzeit als Abgrenzung zu Short.
Wie hoch die Anteile der jeweiligen Stromarten künftig sein werden, hängt einerseits von der Verbrauchskurve, die sich unter Berücksichtigung von Lastflexibilitäten ergibt, und andererseits von den Anteilen an Solar- und Windstrom ab.
Die Solar- und Windstromanteile in den Planzahlen des EEG sind das Ergebnis einer Optimierung der Energieeffizienz. Der Bedarf an Second-Hand-Long-Strom ist minimiert worden. Kosteneffizienz ist nicht betrachtet worden. Außerdem sind die Netzbedarfe- und -kosten vollkommen außen vor geblieben. Beide Fehler führen dazu, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. In dem planwirtschaftlichen Ansatz ist bis 2035 überhaupt kein Second-Hand-Long Strom vorgesehen, sondern nur Second-Hand-Short Strom, also Batterien.
Für die Stromkosten von Verbrauchern wird es künftig wichtig sein, wieviel von ihrem Strom Just-in-Time-Strom ist und wieiviel Second-Hand-Strom.