Kraftwerksstrategie der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat sich auf die Eckpunkte einer Kraftwerksstrategie verständigt. In den nächsten Jahren wird von einem steigenden Strombedarf durch Wärmepumpen und Batterieautos ausgegangen, während gleichzeitig Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen. Zwar sollen die Erzeugungskapazitäten bei Windkraftanlagen (onshore und offshore) und PV-Anlagen massiv ausgebaut werden (ob das auch so passiert, bleibt abzuwarten), aber es verbleiben große Zeitabschnitte, in denen die regenerative Stromerzeugung und die verbleibenden Kraftwerke zur Lastdeckung nicht ausreichen werden.

Im Medien-Jargon werden diese Zeiten als Dunkelflaute bezeichnet, was irreführend ist. Flaute bedeutet Windstille, was nur sehr selten vorkommt. In der Energiewirtschaft wird der Begriff Dunkelflaute auch nur für diese Zeiten verwendet. Zusätzlicher Strombedarf, besteht aber auch in weiten Zeiträumen, in denen Wind weht, aber eben nicht genug. Damit geht es nicht nur um die Überbrückung von einzelnen Tagen oder Stunden, sondern auch mal um ein paar Wochen und vor allem insgesamt um eine große Vielzahl von Stunden.

Die Einigung der Koalition besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen:

  1. Der kurzfristigen Ausschreibung von bis zu 4 mal 2,5 GW Kraftwerksleistung. Diese Gaskraftwerke sollen zwischen 2035 und 2040 komplett auf Wasserstoff umgestellt werden. Die Standorte sollen die Bedürfnisse des Stromnetzes berücksichtigen („systemdienlich“ sein). Die Finanzierung erfolgt aus dem Klimafonds.
  2. Der Schaffung eines Kapazitätsmechanismus ab spätestens 2028. Die Eckpunkte hierfür sollen bis Sommer 2024 beschlossen werden. Die Ausschreibungen nach Punkt 1 sollen in diesen Mechanismus integriert werden.

Es wird richtigerweise davon ausgegangen, dass die 10 GW aus dem ersten Teil ganz sicher erforderlich sind. Welche Kapazitäten darüber hinaus erforderlich sein werden, ist offen, insgesamt wird mit einer Größenordnung von 30 GW gerechnet.

Die Einführung eines Kapazitätsmechanismus wurde bereits 2016 ausführlich diskutiert, am Ende aber verworfen. Viele andere Länder haben entsprechende Mechanismen längst eingeführt. Ausgangspunkt ist das „Missing money“-Problem des „Energy Only Markets“, zu deutsch: Weil Strom nur in anderen Energieformen und sehr hohen Kosten speicherbar ist, herrscht am Strommarkt, auch ohne, dass das irgendwo festgeschrieben ist, das Prinzip Strompreis (je Lieferstunde) entspricht den kurzfristigen Grenzkosten (variablen Kosten) des teuersten zur Lastdeckung benötigten Kraftwerks. Das führt vermutlich dazu, dass ein Kraftwerksbetreiber die erheblichen Fixkosten des Kraftwerks, insbesondere die Abschreibungen bei einer Neuinvestition, nicht verdient. Ganz einig sind sich die Ökonomen da nicht.

Für einen Kapazitätsmechanismus gibt es zwei unterschiedliche Ansätze: den zentralen Kapazitätsmarkt und den dezentralen Kapazitätsmarkt. Die Begriffe sind nicht treffend gewählt. Bei dem zentralen Kapazitätsmarkt legt eine (staatliche) Instanz, z.B. die Bundesnetzagentur, die benötigte Kapazität (und ggfs. die Technologie etc.) fest und schreibt sie aus (wie unter Punkt 1), also der planwirtschaftliche Ansatz. Beim dezentralen Kapazitätsmarkt müssen die verantwortlichen Marktakteure (Bilanzkreisverantwortliche, z.B. Stromlieferanten) für die von ihnen benötigten Kapazitäten entsprechend Nachweise beschaffen und vorweisen. Dadurch wird die Frage, wieviel und welche Kapazität benötigt wird, dem „Markt“ überlassen.

Da die Koalition den Kapazitätsmechanismus „marktlich und technologieneutral“ gestalten will, dürfte es auf einen dezentralen Mechanismus hinauslaufen. Da das kompliziert ist und entsprechend Vorlaufzeit braucht, die Zeit aber drängt, ist Punkt 1 vorgeschaltet. Beide Punkte benötigen außerdem den Segen der EU-Kommission.

Beim dezentralen Mechanismus werden die Kosten von den Marktakteuren an die Verbraucher weitergegeben. Hier würde sich also in der Preisgestaltung künftig sicher eine Menge ändern. Beim zentralen Kapazitätsmechanismus müssten die Kosten z.B. (mal wieder) den ohnehin schon horrenden Netzentgelten hinzugefügt werden.

Zusätzlich sollen mal wieder Genehmigungs- und regulatorische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, auch für Elektrolyseanlagen zur Wasserstofferzeugung. Reine Wasserstoffkraftwerke (gemeint sind hier wohl Brennstoffzellen) erhalten eine gesonderte Förderung. Die Abscheidung und Speicherung von CO2 aus fossiler Verbrennung wird an anderer Stelle wieder aufgegriffen. CCS (Carbon Capture and Storage) ist in der Vergangenheit von den Regierungen abgelehnt worden.

CO2 ist aber u.a. zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe erforderlich, weshalb es sinnvoll ist, etwas davon „aufzuheben“. Das ist inzwischen auch bis zum Wärmepumpenminister vorgedrungen. Die letzte Idee war, das CO2 doch in den ausgedienten norwegischen Gasfeldern zu „bunkern“.

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