Entwicklung der modernen Strombeschaffung

Die Strombeschaffung ist in den letzten 25 Jahren mehrfach einem strukturellen Wandel unterworfen gewesen. Grob lassen sich vier Phasen unterscheiden:

Phase 1 bis 1998: Stromversorger als Monopolisten

Für Stromversorger galten bis Ende der 90er Jahre Ausnahmen vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Sie durften miteinander Demarkationsverträge abschließen, die gegenseitigen Gebietsschutz zum Inhalt hatten. Außerdem durften Gebietskörperschaften mit Stromversorgern exklusive Konzessionsverträge abschließen, die nur einem Versorger den Bau von Leitungen im jeweiligen Gebiet erlaubten.

Kunden waren somit zwingend an einen Stromversorger gebunden. Dieser Stromversorger musste alle Kunden, die energiewirtschaftlich gleich waren, auch gleich behandeln (Diskriminierungsverbot). Das bedeutete im Umkehrschluss das Fehlen von Verhandlungsspielräumen. Preisbestandteile waren in den Verträgen fest eingedruckt.

Differenziert wurde nach Spannungsebene. Es gab Jahresleistungspreise und Arbeitspreise, differenziert nach HT (Hochtarif) und NT (Niedertarif) bzw. Tag und Nacht. Daneben gab es meistens eine sogenannte Schwachlastregelung für Kunden, die in Zeiten hoher Last ihren Verbrauch reduziert haben.

Die Preise beinhalteten die Energielieferung, die Netzentgelte und die Abgaben, ohne diese separat auszuweisen. Die Höhe der Entgelte war durch das Verbot des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Stromversorger begrenzt.

Phase 2 1999 bis 2005: Intensiver Anbieterwettbewerb

Mit der Liberalisierung der Strommärkte Ende der 90er Jahre setzte ein beispielloser Preisverfall ein, weil sich die Stromversorger gegenseitig mit vollkommen irrationalen Preisen unterboten. Dieser Käufermarkt hat bis 2022 angehalten. Kaum war ein Anbieter verschwunden, tauchte ein neuer auf. Netzentgelte wurden als durchlaufende Posten weitergereicht; hier gab es weiterhin einen Jahresleistungspreis (und einen Arbeitspreis).

Für die Energielieferung wurde meist nur ein fester Arbeitspreis verlangt. Aufgabe der Strombeschaffung war es, diesen Preis durch Verhandlungen möglichst weit zu drücken.

Phase 3 2006 bis 2022: Strukturierte Beschaffung und Abgabenoptimierung

Seit Einführung des europäischen CO2-Handels 2005 stiegen die Großhandelspreise deutlich an und wurden zugleich viel volatiler. Deswegen haben einige Anbieter Preismodelle eingeführt, bei denen der Energiepreis des Kunden an Börsenindizes gekoppelt wird, um so eine Verteilung der Preisfixierungszeitpunkte zu erreichen. Sofern dabei ausschließlich Standardterminprodukte und Spotmengen verwendet werden, spricht man von strukturierter Beschaffung.

Für die Stromkosten erfolgsentscheidend war aber der Zugang zu den zahlreichen Ausnahmeregelungen bei den ebenso zahlreichen und wachsenden Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom. Alleine der Kostenvorteil durch die Besondere Ausgleichsregelung im EEG war größer als der Energiepreis. Dementsprechend lag hier der Fokus, während der Energiepreis eher in den Hintergrund trat.

Phase 4 ab 2023: Teilweiser Direktbezug des Stroms von Betreibern Erneuerbarer Energie-Anlagen (EE-Anlagen) durch sogenannte PPA (Power Purchase Agreement)

Durch den Wegfall der EEG-Umlage und die gleichzeitige Verknappung der CO2-Zertifikate sind die Energiepreise losgelöst von vorübergehenden Gaspreiseskalationen dauerhaft auf mehr als doppelt so hohem Niveau wie vor einigen Jahren.

Der Wegfall konventioneller Kraftwerkskapazitäten trocknet den Markt für Standardterminprodukte mehr und mehr aus. Kunden, die Planungssicherheit beim Strompreis haben wollen, müssen extrem hohe Risikoaufschläge zahlen – oder neue Wege gehen, in Form von PPA, die einen Teil ihres Strombedarfs decken. Das ist allerdings sehr kompliziert.

Die Politik will genau dieses Modell unterstützen; wie, bleibt abzuwarten. Ob und wieweit staatliche Eingriffe (Strompreisbremse, Industriestrompreis etc.) weiterhin für die Stromkosten ausschlaggebend sein werden, muss sich kurzfristig zeigen.

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