Der Strommarkt stand im Juni ganz im Zeichen der Panne an der Strombörse EPEX Spot bei der Auktion für den 26. Juni. Bislang konnte nicht einmal die Ursache lokalisiert werden. Für eine aussagekräftige Analyse müssen die Preise für diesen Tag unberücksichtigt bleiben. Für die Abrechnungen sind sie sehr wohl trotzdem maßgeblich.
Spotmarkt
Die Windstromerzeugung war für die Jahreszeit sehr hoch. Neben einem guten Windangebot haben hierzu auch eine ganze Reihe neu in Betrieb genommener Offshore-Windkraftanlagen beigetragen; der Zuwachs bei der Offshore-Windstromerzeugung betrug mehr als 30% gegenüber dem Vormonat. Die Ergebnisse der letzten EEG-Ausschreibung für Onshore-Windkraft liegen auch zwei Monate nach der Auktion immer noch nicht vor.
Die Solarstromerzeugung hat ebenfalls weiter zugelegt, allerdings war die Sonnenscheindauer in Süddeutschland, wo die meisten PV-Anlagen stehen (Bayern hat alleine 27% der installierten Leistung), eher unterdurchschnittlich. Die Temperaturen waren insgesamt überdurchschnittlich, die Niederschläge ebenso.
Während sich bei Stromimporten und Stromverbrauch weder gegenüber Mai noch gegenüber dem Vorjahresmonat merkliche Änderungen ergaben, ist die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern gegenüber dem Vorjahresmonat zwar erneut gesunken, gegenüber Mai 2024 aber leicht angestiegen. Außerdem ist eine Verschiebung von Erdgas zu Kohle festzustellen.
Die Erklärung dafür liefert ein Blick auf die Grenzkosten von Gas- und Kohlekraftwerken. Während die Erdgaspreise am Spotmarkt erneut deutlich gestiegen sind, auf nunmehr 34,3 €/MWh, sind Kohlepreise und CO2-Preise gesunken, letztere um rund 3 €/EUA auf unter 70 €/EUA.
Die Gaspreise werden einerseits von Panikmache wegen – weitgehend normaler – Wartungsarbetien an norwegischen Gasfeldern bzw. Pipelines und andererseits von der Tatsache getrieben, dass die Speicherbefüllung weiterhin eher langsam vonstatten geht und nur deswegen schon auf so hohem Nivau (EU ca. 77%, Deutschland über 80%), weil die Ausgangsbasis am Ende des Winters so hoch war. Aber warum sollte sie auch schneller gehen? Mehr als voll geht nicht. Höhere Gaspreise im Sommer als im Winter ergeben jedenfalls ökonomisch keinen Sinn.
Im Emissionshandel könnte sich die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass die Obergrenzen im EU-ETS nach aktuellem Stand auch ohne durchgehenden und vollständigen Fuel switch einhalten lassen. Der CO2-Preis hängt in hohem Maße davon ab, wie es 2030 im europäischen Emissionshandel und der europäischen Klimapolitik weiter geht. Das muss in der jetzt neu beginnenden Legislaturperiode festgelegt werden. Der Ausgang der Europawahl kann als Indiz für weniger ambitionierte Klimaziele interpretiert werden.
Da nach heutigem Stand die erneute Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November wahrscheinlich ist, muss davon ausgegangen werden, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen erneut austreten und dessen Ziele damit in weite Ferne rücken. Die Auswirkungen auf die europäische Klimapolitik bleiben abzuwarten. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass Trump die LNG-Exporte Richtung Europa als Druckmittel einsetzen wird, um die Europäer in Streitfragen gefügig zu machen. Alleine die Drohung hätte für die Erdgaspreise ernste Konsequenzen.
Die Grenzkosten der Stromerzeugung lagen für Erdgaskraftwerke erstmals seit Monaten wieder über denen von Kohlekraftwerken. Es gab auch außerhalb der gesondert zu betrachtenden Preise für den 26.06. einige Knappheitspreise. Die Anzahl der Lieferstunden mit Stromüberschuss ist gegenüber Mai gesunken. Die Stunden mit negativen Preisen haben abgenommen. Insgesamt lag das Abrechnungspreisniveau bei 85,86 €/MWh. Ohne die Panne der Strombörse läge das mittlere Preisniveau bei ca. 72,50 €/MWh, was gegenüber Mai immer noch ein Anstieg um fast 5 €/MWh wäre.
Die Spreizung der Spotpreise (Differenz zwischen den drei teuersten und billigsten zusammenhängenden Stunden eines Tages) hat an den Werktagen weiter zugenommen, an den Wochenenden jedoch abgenommen. An den Werktagen sind die Preise in den Morgen- und Abendstunden wegen der höheren Kosten der Stromerzeugung aus Erdags höher gewesen. An den Wochenenden sind die Preise mittags nicht mehr so weit in negative Regionen abgerutscht. Ohne den 26.06. läge der Mittwoch bei ca. 111 €/MWh und der Mittelwert bei 113,50 €/MWh.
Terminmarkt
Gegenüber den Preishochs von Ende Mai sind die Terminpreise für Strom entlang der Forwardkurve wieder etwas zurückgekommen. Base 2025 liegt mit 91,30 €/MWh aber immer noch auf dem Niveau vom Jahresanfang. Die Preise für 2026 und 2027 hingegen sind tiefer als zu Beginn des Jahres. Für den Jahresmittelwert 2024 werden aktuell mit 77,20 €/MWh deutlich weniger als 2023 am Spotmarkt realisiert (95,5 €/MWh) erwartet.
Ursache für den Kurvenverlauf sind die am langen Ende sinkenden Erdgaspreise (38,9 €/MWh für 2025 und 29,7 €/MWh für 2027) und die Erwartungen des Marktes an mehr Überschusszeiten infolge des Zubaus regenerativer Stromerzeugungsanlagen in Europa.
Das lässt sich gut am Verhältnis der Strompreise zu den Grenz-Erzeugungskosten ablesen. Für 2025 liegt der Preis zwischen den Erzeugungskosten von Kohle- und Gaskraftwerken. Für 2026 und 2027 liegt er bereits deutlich unterhalb beider Kosten. Die CO2-Preise steigen nach wie vor am langen Ende an.
Trotz wiederholter Mahnungen aus der Strombranche und zahlreicher Experten hat der Wärmepumpenminister immer noch keine Kraftwerksstrategie vorgelegt. Wo künftig der Strom bei unzureichender, regenerativer Stromerzeugung herkommen soll, bleibt weiterhin unklar. Auch die angekündigte Importstrategie für grünen Wasserstoff lässt immer noch auf sich warten. Immerhin hat die Regierung jetzt die Fühler Richtung Nordafrika ausgestreckt. Wird auch Zeit. Das Thema mehrerer Strompreiszonen in Deutschland wird vom Wärmepumpenminister auch nicht angepackt, zuviel Konfliktpotenzial. Dafür wird die EU hier möglicherweise eingreifen.