Der Bundestag hat mal wieder Änderungen im Energierecht beschlossen. Zum Teil handelt es sich dabei um die Umsetzung von EU-Richtlinien. Entgegen den permanent vorgetragenen Bestrebungen zur Entbürokratisierung und Deregulierung, handelt es sich jedoch auch bei diesen neuesten Änderungen um das Gegenteil. Wir greifen nur einige Punkte auf:
Regelungen zur Haushaltskundenbelieferung
Es wird der Begriff des Festpreisvertrages definiert (§ 3 Ziff. 46 EnWG), als ein Energieliefervertrag mit einem Letztverbraucher, bei dem für die Vertragslaufzeit wenigstens die vom Versorger beeinflussbaren Preisbestandteile (also ohne Netzentgelte, Umlagen etc.) fix sind, wobei der Preis aber auch unterschiedliche, z.B. zeitvariable Elemente beinhalten kann. Die Kopplung an Spotpreise dürfte jedoch nicht unter diese Definition fallen.
Energieversorger mit mehr als 200.000 Kunden im Jahr müssen künftig o.g. Festpreisverträge mit mindestens zwölf Monaten Laufzeit anbieten, es sei denn, sie bieten ausschließlich dynamische Stromtarife an. Letztere müssen bereits jetzt von allen Energieversorgern mit mehr als 100.000 Kunden angeboten werden. Selbstverständlich müssen die Kunden ordentlich beraten werden. Von der Pflicht, Beratungsprotokolle anzufertigen, hat der Gesetzgeber großzügig abgesehen.
In § 5 EnWG hat man nach den Energiepreiskapriolen infolge des russischen Angriffskrieges bereits versucht, „unseriöse“ Energieversorger vom Markt fernzuhalten. Nachdem im Zuge der Energiemarktliberalisierung die Genehmigungspflicht für die Aufnahme der Energieversorgertätigkeit abgeschafft worden war, ist sie damit quasi wieder eingeführt worden, denn die Bundesnetzagentur kann die Geschäftstätigkeit bei Zweifeln an der Seriosität des Anbieters untersagen. Zwar gelten die Regelungen nur für Unternehmen, die Haushaltskunden (Kunden <10.000 kWh) beliefern, aber ein paar davon beliefert jeder Stromversorger.
Zusätzlich müssen Energieversorger nun „angemessene Absicherungsstrategien entwickeln und befolgen, um das Risiko von Änderungen des Elektrizitätsangebots auf dem Großhandelsmarkt für die wirtschaftliche Tragfähigkeit seiner Verträge mit Kunden zu begrenzen und gleichzeitig die Liquidität an Kurzfristmärkten und die von diesen Märkten ausgehenden Preissignale aufrechterhalten“ (§ 5 (4a) EnWG).
Dagegen spricht nichts, jedes ordentliche Unternehmen tut das von sich aus, die anderen verschwinden irgendwann vom Markt. Die Insolvenz eines Energieversorgers wird in der Politik aber als ganz großes Übel eingestuft (anders als z.B. bei Bauunternehmen, wo der Kunde sehen kann, wie er klarkommt). Deswegen kann die Bundesnetzagentur künftig die Vorlage obiger Absicherungsstrategien verlangen und bei Bedenken, Änderungen verlangen. Künftig werden also diejenigen, die ursprünglich mal die Netzentgelte und den Netzzugang regulieren sollten (was sie eher schlecht als recht gemacht haben, wie man an den Netzentgeltentwicklungen sieht) zu Experten in Risikomanagement und Unternehmensführung erhoben. Markt war gestern, die Zukunft gehört dem Staat. Hatte die Regierung nicht etwas anderes angekündigt? Es liegt auf der Hand, dass der Wettbewerb weiter abnehmen und die Stromkosten weiter steigen werden.
„Transparenz“
Die Übertragungsnetzbetreiber werden verpflichtet, auf einer gemeinsamen Internetplattform den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung sowie eine Prognose hierfür für den nächsten Tag zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich müssen die in der jeweiligen Periode durchschnittlich mit der Stromerzeugung verknüpften THG-Emissionen dargestellt werden.
Die Idee ist hier, dass Verbraucher sich flexibel dahingehend verhalten, dass sie in Zeiten niedriger Emissionen und hoher EE-Anteile Strom verbrauchen oder Batterien laden. Entscheidend dafür, wieviel THG-Emissionen mit der zusätzlich erzeugten Kilowattstunde verbunden sind, sind aber die Emissionen des letzten zum Einsatz kommenden Kraftwerks. Diese können von den durchschnittlichen in beide Richtungen deutlich abweichen.
Die Veröffentlichungspflicht ist also nicht nur eine weitere Bürokratieaufgabe für Netzbetreiber, damit diese nicht auf dumme Gedanken kommen und am Ende sogar noch Zeit haben, Netze auszubauen, sie führt auch noch zu Fehlsteuerungen, insbesondere, wenn Flexibilitäten nach obigen Parametern ausgerichtet werden, und nicht nach Netzdienlichkeit oder Spotpreisen. Die Steuerung nach Spotpreisen hingegen – die heute schon möglich ist – sorgt automatisch für klimaschonende Erzeugung, denn bei viel EE-Stromerzeugung sind die Preise niedrig, bei wenig, sind sie hoch. Es handelt sich um einen Marktmechanismus. Aber dem Markt wird in Brüssel und weiten Teilen der Politik misstraut.
Energy Sharing
Energy Sharing ist künftig möglich, wenn der Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energieanlagen oder Batterien, die ausschließlich mit erneuerbarem Strom aufgeladen werden, stammt. Ab 01.06.2026 ist energy sharing im gleichen Verteilnetz möglich, ab 01.06.2028 auch in den benachbarten Netzen. Der Anlagenbetreiber ist von den Verpflichtungen, die für andere Energieversorger gelten befreit, sofern die Anlage nicht mehr als 30 kW hat (bei Mehrfamilienhäusern 100 kW).
Es dürfen nur Letztverbraucher beliefert werden, auch Unternehmen können Energy Sharing machen, allerdings ist die überwiegende Nutzung zu gewerblichen Zwecken ausgeschlossen. Es muss das öffentliche Netz genutzt werden und alle Strommengen müssen mit Zählerstandsgangmessung erfasst werden. Anlagenbetreiber und Kunde müssen einen Liefervertrag sowie einen Vertrag zur gemeinsamen Nutzung der Anlage(n) abschließen. In diesem Vertrag ist der Umfang der Lieferung bzw. der Aufteilung der Stromerzeugung geregelt.
Wie die Netzbetreiber das jeweils umsetzen, bleibt offenkundig ihnen überlassen. Der Verbraucher benötigt in aller Regel einen zusätzlichen Stromlieferanten, der liefert, wenn es die EE-Anlage nicht (ausreichend) tut. Dadurch wird die Abwicklung und Abrechnung sehr kompliziert und Stromversorger und Netzbetreiber müssen zusätzlich Prozesse implementieren. Die Netzentgelte werden für die Entnahmemenge des Verbrauchers berechnet, nicht für die Liefermenge des zweiten Lieferanten. Die Stromsteuer und die Umsatzsteuer auf die Stromlieferung aus der Anlage entfallen. Darin dürfte auch der einzige Anreiz liegen, denn Netzentgelte und die zugehörigen Umlagen/Abgaben werden nicht eingespart. Der Wert des Stroms steigt durch energy sharing nicht, weder für die Vertragsparteien noch für das System. Es handelt sich um ein weiteres Bürokratiemonster, dass der Gewissensberuhigung Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit dient, also klassische Klientelpolitik. Aber die Vorstellung, wie der Windfried dann abends mal zur Erna rübergeht, um einen Deal über seinen Solarstrom mit ihr auszuhandeln, ist schon lustig.
Fazit
Solange in Brüssel der Irrsinn regiert, ist eine deutsche Regierung machtlos.