Der lange erwartete Realitätscheck der Bundesregierung zur Energiewende ist gestern veröffentlicht worden. Was steht drin?
Wenig Neues – für Fachleute der Energiewirtschaft, deren Blick auf die Realität nicht durch die grüne Brille getrübt ist. Das Besondere ist vielmehr, dass es jetzt auch endlich einmal in einem wissenschaftlichen Bericht an die Bundesregierung dokumentiert ist. Die Wirtschaftsministerin hat zeitgleich als Konsequenz aus dem Bericht einen 10-Punkte-Plan angekündigt. Auch der enthält gegenüber dem Koalitionsvertrag nicht wirklich etwas Neues.
Entscheidend ist, ob dem angekündigten Strategiewechsel jetzt auch tatsächlich die richtigen Taten, also vor allen Dingen schnell die richtigen Gesetze folgen werden. Da gibt es durchaus noch politische und sachliche Hürden zu überwinden.
Die Feststellungen sind im einzelnen:
Die Systemkosten laufen aus dem Ruder. Tatsächlich hat sich die Politik mit der Frage, was das alles kostet, wer das wie bezahlen soll und ob es nicht kostengünstigere Alternativen gibt, kaum beschäftigt. Stattdessen hat man sich von falschen Behauptungen wie “erneuerbare Energien wären die billigsten Energien” blenden lassen. Die Realität ist eine andere und irgendwann dann eben auch nicht mehr zu leugnen. Wirtschaftlichkeit war bislang ein Fremdwort. Hierfür lassen sich dutzende Beispiele anführen, es reicht eines: ein Großbatteriespeicher kostet ca. 300 €/kWh, ein “Heimspeicher” 600 €/kWh. 70 bis 80% aller Batteriespeicher sind Heimspeicher, die zudem auch kaum oder suboptimal gesteuert werden. Was soll man dazu sagen?
Die Stromverbrauchsprognose des bisherigen “Plans” ist viel zu hoch angesetzt. Für 2030 sollten es 750 TWh sein, die vorliegenden Studien gehen von 600 bis 700 TWh aus, wobei 600 TWh eher richtig sein dürften. Dementsprechend kann und muss der Zubau an EE-Anlagen gegenüber den bisherigen Planzahlen reduziert werden.
Die meisten Studien gehen davon aus, dass bei Fortschreibung der bisherigen Politik die Klimaschutzziele verfehlt werden. Die Realität folgt eben nicht immer dem Plan.
Der Ausbau der Windkraft, offshore wie onshore liegt hinter dem Plan zurück, und die Ziele aus dem aktuellen EEG sind nicht mehr erreichbar. Entgegen der weit verbreiteten Annahme hat die letzte Regierung hier keine ausreichend gute Arbeit geleistet bzw. unrealistische Ziele formuliert. Bei der PV-Stromerzeugung hingegen wird die Zielerreichung als realistisch eingestuft.
Das Ziel von 80% EE-Stromerzeugung bezogen auf den Bruttostromverbrauch wird ebenfalls als erreichbar angesehen – bei normalen Wetterbedingungen. Das Verhältnis von Windstrom zu Solarstrom ist damit noch schiefer als bereits in den Planungen. Die Konsequenz werden hohe Strompreise im Winter und niedrige im Sommer sein. Bei Windkraft muss also mehr passieren, bei PV ist Bremsen angesagt. Von einem “Abwürgen” des EE-Ausbaus kann keine Rede sein.
Ohne schnellen Zubau von gesicherten Kraftwerkskapazitäten ist die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet. Zu dem Ergebnis ist auch der Bericht der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit gekommen.
Das bestehende Netzentgeltsystem ist untragbar, weil es in großem Stil falsche Anreize setzt. Richtige Ansätze finden sich aber auch im Monitoringbericht und dem 10-Punkte-Plan nicht. Nur ein dynamisches Netzentgeltsystem kann hier helfen.
Zum wiederholten Mal wird außerdem der Smart Meter-Rollout im Schneckentempo beklagt. Abhilfe? Fehlanzeige. Vorschlag: die richtige Priorisierung: erst einmal alle Marktlokationen mit PV-Anlage, Wallbox und Stromheizung ausstatten, denn die können ein wenig steuern, der Rentnerhaushalt in der 2-Zimmerwohnung eher nicht.
Deutschland soll weiterhin eine Strompreiszone bleiben. Das ist ein Widerspruch zu den aufgestellten, hehren Grundsätzen. Die ökonomische Vernunft besagt etwas anderes, aber an Söder ist wohl nicht vorbeizukommen. Die EU wird diesem Unfug hoffentlich bald ein Ende setzen.
Der Wasserstoffhochlauf plätschert nur so dahin, die 10 GW Elektrolysekapazität bis 2030 werden nur zu einem Bruchteil erreicht. Es gibt und gab nie ein vernünftiges Förderkonzept. Stattdessen hat die EU-Kommission mit der Definition von grünem Wasserstoff versucht, die Wasserstofferzeugung zu verhindern. Man muss das so deutlich sagen, kann jeder nachlesen. Diese Richtlinie muss sofort grundlegend geändert werden.
Die feste EEG-Vergütung soll abgeschafft werden. Das ist ohnehin aufgrund von EU-Recht geboten. Aktuell können EE-Anlagenbetreiber bei entsprechenden Marktverhältnissen noch über die EEG-Vergütung hinaus Geld verdienen, also das beste aus zwei Welten vereinen. Wie technologieneutrale EE-Förderung aussehen könnte, ist hier skizziert.
Der technologieneutrale Kapazitätsmarkt soll “möglichst noch 2027” kommen. Das muss schneller gehen, insbesondere muss jetzt endlich mal klar sein, wie das aussieht.
Der Subventionsdschungel soll gelichtet werden. Die Lobbyisten werden ihre Pfründe schon zu verteidigen wissen. CCS/CCU sollen endlich angeschoben werden. Das hat die Ampel vor mehr als einem Jahr schon vergeblich versucht. Die Klageindustrie steht sicher schon Gewehr bei Fuß. Die Abschaffung des Verbandsklagerechts könnte hier helfen.
Monitoringbericht und 10-Punkte-Plan haben die Defizite identifiziert. Marktwirtschaft und Kosteneffizienz sind als Leitgedanken formuliert, aber leider (bislang) ohne Leben. Man hätte erwarten dürfen, dass hier endlich konkrete Maßnahmen folgen. Was auch immer da kommt: billiger wird es nicht mehr, nur weniger teurer.
Die Energiepolitik der letzten 25 Jahre trägt die Handschrift der grünen Ideologie:
- Planwirtschaft statt Marktwirtschaft, Philosophen wissen es besser als Unternehmer, Investoren, Ingenieure, Ökonomen etc.
- dezentral statt zentral, “da spart man die Netze”, Pustekuchen
- Industrie ins Ausland verlagern (zurück in die vorindustrielle Zeit), Hauptsache bei uns ist alles sauber
- Autofeindlichkeit, wen interessiert schon, dass die Autofahrer in der großen Mehrheit sind
- ausschließlich Strom und nur aus erneuerbaren Energien verwenden, keinerlei chemische Energieträger
Es ist gerade diese Verknüpfung von Klimaneutralität mit anderen politischen Wunschthemen, die zu der jetzigen, misslichen Lage der Klimapolitik geführt hat. In anderen Ländern wird Klimaschutz pragmatisch betrieben und deswegen viel erfolgreicher.
Viele Wege führen nach Rom. Bislang hat man versucht den über Timbuktu zu nehmen. Im nächsten Anlauf könnte man es jetzt über die Alpen versuchen. Aber allein die Wahl einer alternativen Route führt schon dazu, dass politische Gegner eine Rückkehr ins fossile Zeitalter und ein Abwürgen des EE-Ausbaus unterstellen. Mit der Realität hat auch das Nichts zu tun, vielmehr mit fehlender Phantasie, Skepsis gegenüber Märkten, Industrie und Technologie, mangelndem Wissen und Angst.