Wie von der Regierungskoalition angekündigt, findet jetzt eine Diskussion über eine mögliche Anpassung der Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren Energien statt.
Ausgangspunkt ist ein für 2030 im EEG verankerter Strombedarf von 750 TWh/a. Davon sollen mindesten 80% aus regenerativen Quellen stammen. Das EEG bricht diese Zahlen auch auf Technologien und Jahre herunter. Diese Zahlen bilden zudem die Grundlage für den Netzentwicklungsplan.
Folgende Fragen stehen deswegen im Raum:
- Wie hoch wird der Stromverbrauch 2030 sein?
- Welche EE-Strommenge wird bis 2030 angestrebt?
- Mit welchen Technologien soll die Strommenge erzeugt werden?
- Welcher Netzausbaubedarf besteht?
- Welche Konsequenzen sind daraus für das EEG zu ziehen?
Stromverbrauch 2030
Aus heutiger Sicht sind die 750 TWh deutlich zu hoch angesetzt. Es gibt mehrere Studien, die zu weit niedrigeren Ergebnissen kommen. Die Verbrauchsentwicklung der letzten Jahre legt ebenfalls nahe, dass der Stromverbrauch signifikant niedriger sein wird als 750 TWh.
Ursachen sind die Deindustrialisierung, die gegenüber den Erwartungen von 2022 viel langsamere Verbreitung von Wärmepumpen und E-Autos, der ausbleibende Hochlauf der Wasserstofferzeugung und die langsamere Elektrifizierung von industriellen Prozessen.
Keine der jetzt veröffentlichten Studien kann vorhersagen, was wirklich 2030 sein wird. Die Studien spiegeln regelmäßig auch die Interessenlage der Auftraggeber/Autoren wider.
EE-Strommenge 2030
Bereits die Kopplung des EE-Ausbaus an den Stromverbrauch ist falsch. Der EE-Ausbau sollte sich an den organisatorischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten orientieren und nicht an irgendwelchen Quoten, die zudem Faktoren wie Kosten oder den Zeitpunkt der Stromerzeugung nicht abbilden. Auf Jahresbasis wird es bei Fortführung des bislang geplanten Ausbaus keine EE-Stromüberschüsse geben, auch wenn die niedrigsten Stromverbrauchsprognosen sich als richtig erweisen.
Bislang liegt der Onshore-Windkraftausbau hinter dem Plan zurück. Es gibt somit keinen Grund, die absoluten EE-Strommengenziele in Frage zu stellen. Was 2030 schon fertig ist, muss danach nicht mehr gebaut werden.
Technologien
Das aktuelle EEG schreibt den Technologiemix aus Wind, Sonne und Biomasse vor. Beim Wind wird sogar noch der Anteil von Offshore-Windkraft und bei Sonne der Anteil der Freiflächenanlagen festgeschrieben.
Die Technologieaufteilung ist das Ergebnis von Ideologie und Lobbyismus und nicht von energiewirtschaftlicher Vernunft und Kosteneffizienz.
Solaranlagen produzieren im Sommer sehr viel Strom, im Winter so gut wie Nichts. Der Strombedarf hingegen ist im Winter seit jeher höher als im Sommer. Dieses Ungleichgewicht wird in Zukunft aufgrund der Wärmepumpen noch deutlich zunehmen.
Aktuell werden massiv Batteriespeicher ausgebaut. Diese können aber nur den Stromertrag des Tages für die Nacht, bestenfalls ein bis zwei Tage speichern, nicht hingegen den Strom vom Sommer für den Winter. Das Mengenverhältnis von Windstrom zu Solarstrom ist im aktuellen EEG falsch. Es wird viel mehr Windstrom und viel weniger Solarstrom benötigt.
Freiflächen-PV-Anlagen und große PV-Dachanlagen erzeugen den Strom zu deutlich niedrigeren Kosten als private Anlagen und erst recht als Balkonkraftwerke. Jahrzehntelang hat uns die grüne Ideologie weismachen wollen, dass die dezentralen Kleinanlagen kostengünstiger sind als große, weil sie Netzkosten einsparen. Tatsächlich stimmt das gar nicht, ab einer gewissen Solarstrommenge ist sogar das Gegenteil der Fall.
Offshore-Windkraft kann deutlich günstiger erzeugt werden als Onshore-Windkraft. Allerdings muss der Strom zu sehr hohen Kosten erst an Land transportiert werden – und danach noch zu den Verbrauchern in Süddeutschland.
Biomasseanlagen produzieren Strom zu deutlich höheren Kosten als PV- oder Windkraftanlagen, dafür aber kontinuierlich. Sollten sie nur in Zeiten der Dunkelflaute eingesetzt werden, wären ihre Stromgestehungskosten allerdings noch deutlich höher.
Netzausbau
Der Netzentwicklungsplan geht wie selbstverständlich davon aus, dass alle EE-Anlagen auch ans Stromnetz angeschlossen werden und abgesehen von einer geringen Leistungsspitzenkappung auch in vollem Umfang in das Stromnetz einspeisen können. Das Ergebnis sind horrende Ausbau- und Investitionsbedarfe und in der Folge dauerhaft hohe Netzentgelte. Die Fokussierung auf Strom als Energieträger und Ablehnung von chemischen Energieträgern wie Wasserstoff ist ebenfalls Bestandteil grüner Ideologie.
Der Bedarf beim Netzausbau wird dadurch zusätzlich erhöht, dass Standorte bei der EE-Förderung praktisch keine Rolle spielen. Eine Optimierung aus Systemkosten, bestehend aus Erzeugungskosten und Netzkosten, findet nicht statt. Hierzu wäre ein kostenverursachungsgerechtes Netzentgeltsystem mit dynamischen Arbeitspreisen – auch für Stromeinspeiser – erforderlich. Die Bundesnetzagentur plant aber in der für 2029 anstehenden Netzentgeltreform nicht den notwendigen Systembruch.
Würden private PV-Anlagenbetreiber entsprechend der von ihnen verursachten Kosten Netzentgelte bezahlen und keine EEG-Förderung mehr bekommen, würden auch keine privaten PV-Anlagen mehr gebaut. Dann gäbe es auch weniger Probleme im Netz (Stichwort Hellbrise).
Offshore-Windkraftanlagen sollten nicht mehr an (noch zu bauende) Stromnetze angeschlossen werden, sondern auf See Wasserstoff erzeugen. Das wird bereits entwickelt, Dänemark hat bereits 2018 beschlossen, Wasserstoff auf See zu erzeugen. Der Transport des Wasserstoffs ist deutlich kostengünstiger als der des Stroms. Große PV-Anlagen sollten ebenfalls nicht mehr an das Stromnetz angeschlossen werden, sondern direkt Wasserstoff erzeugen. Das spart den Wechselrichter, den Netzanschluss und sehr viel Netzausbau.
Konsequenzen für das EEG
Technologieträgerspezifische Ausschreibungen und Vergütungen müssen gestrichen werden.
Stattdessen ist die Ausschreibungsgröße ein Aufschlag auf den Marktwert des Stroms. Dabei sind Einspeisenetzentgelte zu berücksichtigen. Beispiele:
Für ein Onshore-Windkraftprojekt wird mit Stromgestehungskosten von 8 ct/kWh gerechnet. Der Bieter erwartet einen Marktpreis (Base) von 100 €/MWh und einen Profilfaktor seiner Erzeugung von 0,8. Da der Standort in Norddeutschland liegt, ist zusätzlich mit Einspeisenetzentgelten von 1 ct/kWh zu rechnen. Sein Angebot lautet somit
9 ct/kWh – 10 ct/kWh * 0,8 = 1 ct/kWh
Das ist der spezifische Förderbetrag.
Für ein PV-Projekt wird mit Stromgestehungskosten von 5 ct/kWh gerechnet. Der Bieter erwartet einen Marktpreis (Base) von 100 €/MWh und einen Profilfaktor seiner Erzeugung von 0,4. Da der Standort in Bayern liegt ist zusätzlich mit Einspeisenetzentgelten von 1 ct/kWh zu rechnen. Sein Angebot lautet somit
6 ct/kWh – 10 ct/kWh * 0,4 = 2 ct/kWh.
Obwohl die Stromgestehungskosten niedriger sind als bei dem Beispiel Windkraft, ist der Förderbedarf höher, weil der Profilfaktor so niedrig ist. Der Bieter könnte den Profilfaktor mit Hilfe einer Batterie erhöhen. Dann sind die Kosten höher, aber die Erlöse auch. Er könnte in eine Netzregion ausweichen, in der das Einspeisenetzentgelt gering ist, hat dann aber wegen der geringeren Stromausbeute höhere, spezifische Kosten.
Für ein Biomasseprojekt wird mit Stromgestehungskosten von 12 ct/kWh gerechnet. Der Bieter erwartet einen Marktpreis (Base) von 100 €/MWh und einen Profilfaktor seiner Erzeugung von 1,0. Das mittlere Einspeisenetzentgelt ist Null, weil seine kontinuierliche Einspeisung das Netz zwar in bestimmten Zeiten belastet, aber in anderen entlastet, so dass er dann Entgelte erhält. Sein Angebot lautet somit
12 ct/kWh – 10 ct/kWh * 1,0 = 2 ct/kWh
Alternativ könnte er seine Anlage nur in Zeiten hoher Spotpreise betreiben. Aufgrund der dann niedrigeren Kapazitätsauslastung steigen die Kosten auf 14 ct/kWh. Dafür erhält er jetzt im Mittel ein Netzentgelt von 0,5 ct/kWh und sein Profilfaktor steigt auf 1,2 an. Sein Angebot lautet dann:
13,5 ct/kWh – 10 ct/kWh * 1,2 = 1,5 ct/kWh
Das sind willkürliche Zahlenbeispiele. Die tatsächlichen Zahlen verändern sich im Laufe der Zeit. Würde über mehrere Jahre nur Wind gewinnen, stiege der erwartete Profilfaktor für PV an und der für Wind würde sinken. Das System bringt sich selbst ins Gleichgewicht.
Es werden nicht mehr installierte Leistungen ausgeschrieben, sondern Fördervolumina in Eurobeträgen. Damit gibt es eine Kontrolle über die benötigten Haushaltsmittel. Feste Vergütungen gibt es nicht mehr. Das System ist sehr viel einfacher, transparenter und berechenbarer als der bisherige Wust aus EEG-Paragrafen. Es sorgt dafür, dass der richtige Technologiemix gefördert wird, die Anlagen unter Berücksichtigung der Netzkosten am richtigen Ort errichtet werden und der Anlagenbetreiber die Anlage marktkonform – ggfs. unter Zuhilfenahme von Batteriespeichern betreibt. Das System ist marktwirtschaftlich und sorgt für Kosteneffizienz.
Dieses Modell lässt sich auch in Form von CfDs ausgestalten, indem der zur Berechnung der Förderung verwendete Marktpreis an den tatsächlichen Marktpreis gekoppelt wird (Profilfaktor und Netzentgelt hingegen bleiben unberücksichtigt). Sollte der Marktpreis dann so weit steigen, dass der Förderbetrag negativ wird, zahlt der Anlagenbetreiber.
Wasserstoff
Wasserstoff benötigt ebenso wie EE-Strom zunächst eine Förderung. Bislang wird nicht marktwirtschaftlich gefördert, sondern mit hohem Aufwand projektbezogen. Die Hürden für die Erfüllung des Gütekriteriums „grün“ sind dabei so hoch gesetzt, dass bislang praktisch kein grüner Wasserstoff erzeugt wird.
Richtig wäre es, jeden durch Elektrolyse in Deutschland erzeugten Wasserstoff zu fördern, unabhängig von seiner Verwendung, also ob er zur Stahlherstellung genutzt, vor Ort verbraucht oder einfach ins Erdgasnetz eingespeist wird.
Anbieter können in einer Ausschreibung einen spezifischen Förderbetrag angeben, zu dem sie eine Menge Wasserstoff produzieren. Der Staat bestimmt das Ausschreibungsvolumen. Die Anbieter ermitteln ihren Förderbedarf als Differenz zwischen kalkulierten Kosten und erwarteten Markterlösen.
Es obliegt dem Anbieter, seine Stromkosten als Hauptkostenelement zu minimieren. Dazu kann er strromnetzunabhängige EE-Anlagen (z.B. Offshore-Windkraft oder Freiflächen-PV), PPA oder Strom aus dem Netz nutzen, auch in Kombination. Bei letzterem sind je nach Netzgebiet und Zeitraum Netzentgelte zu zahlen oder auch zu erhalten, wenn das Netz gerade einen Stromüberschuss aufweist.
Die Gegner von Wasserstoff werden jetzt sagen, dadurch würde fossiler Strom zur Wasserstofferzeugung genutzt. Tatsächlich wird kein Elektrolyseur in nennenswertem Umfang fossilen Strom nutzen, weil der viel zu teuer ist. Strom aus Gaskraftwerken kostet immer deutlich über 100 €/MWh (unter Berücksichtigung von Netzentgelten). Der Elektrolyseur wird dann Strom aus dem Netz beziehen, wenn er sehr billig ist, nämlich wenn regenerative Stromüberschüsse da sind. Davon wird es in den kommenden Jahren sehr viel geben.
Der Gesetzgeber unterstellt, dass Strom für E-Autos und Wärmepumpen heute schon CO2-frei ist. Dabei wird Strom für diese Anwendungen irgendwann oder sogar zu besonders teuren und emissionsstarken Zeiten wie bei Heizwärmepumpen genutzt. Es ist nicht ersichtlich, warum bei Wasserstoff anders verfahren werden sollte.