Aktuell werden wieder Grundsatzdebatten geführt, ob Kernenergie oder erneuerbare Energien der richtige Weg in die Klimaneutralität sind. Es folgt eine ideologiefreie Einordnung.
Kernfusion
Ob Kernfusion einmal funktionieren und kostengünstig sein wird, weiß niemand, auch die Menschen, die daran forschen, nicht. Eines ist aber sicher: Es wird noch viele Jahrzehnte dauern, bis sie zur Verfügung steht. Derzeit ist nicht einmal klar, welches technologische Konzept erfolgreich sein könnte, drei unterschiedliche Verfahren sind im Rennen. Es ist richtig, an Kernfusion zu forschen und sich diese Option offen zu halten. Für die nächsten mindestens 50 Jahre spielt Kernfusion aber keine Rolle. Diskussionen hierüber sind reine Scheingefechte.
Bestand Kernkraftwerke
Der Weiterbetrieb der letzten sechs deutschen Kernkraftwerke hätte pro Jahr 20 bis 50 Mio. Tonnen CO2 einsparen können. Das sind 2-5% der gesamten Emissionen im europäischen Emissionshandelssystem. Ein Tempolimit auf 130 km/h in Deutschland würde aktuell ca. 2 Mio. Tonnen pro Jahr an Einsparung bringen.
Die Auswirkungen auf die Stromkosten sind schwer greifbar. Klar ist aber, dass das kontinuierlich deutlich höhere Angebot an Strom niedrigere Strompreise zur Folge gehabt hätte. Das gilt auch bei noch so hohem Ausbautempo der erneuerbaren Energien. CDU/CSU und FDP haben den Kernenergieausstieg 2011 beschlossen, SPD und Grüne haben sich geweigert, ihn rückgängig zu machen. Inzwischen ist es wohl zu spät.
Neue Kernkraftwerke
Es ist ein Mythos, dass Kernenergie sehr kostengünstig ist. Kernkraftwerke kosten im Bau sehr viel Geld, im Betrieb sehr wenig und beim Rückbau noch mehr Geld als beim Bau. Zwischen Planung und vollständigem Rückbau liegen bis zu 100 Jahre, mindestens 10 Jahre Bauzeit, bis zu 60 Jahre Betrieb und rund 30 Jahre für den Rückbau (bislang dauert es noch länger). Es ist nicht möglich hierfür Kosten zu ermitteln. Die Rückbaukosten werden regelmäßig ausgeblendet und nach bewährtem politischem Prinzip kommenden Generationen aufgebürdet. Auch in Deutschland haben sich die Rückstellungen der Stromkonzerne für den Rückbau 2016 als zu niedrig erwiesen, weshalb der Steuerzahler künftig für die fehlenden Beträge einspringen wird. Über Endlagerkosten lässt sich mangels Konzept nichts aussagen. „Wissenschaftliche“ Behauptungen, Strom aus Kernenergie koste 35 ct/kWh sind genauso absurd wie die Behauptung, es sei sehr billig.
Die Gesamtkosten von Kernkraftwerken hängen sehr stark von der Auslastung ab. Das Potenzial für Dauerläufer (Grundlastkraftwerke) ist gering. Bei hohen Anteilen an Kernenergie würde die Auslastung sinken und die Stromgestehungskosten deutlich steigen.
Alle drei zuletzt in Europa gebauten Kernkraftwerke (UK, Frankreich, Finnland) sind gefördert worden und waren bereits jetzt hinsichtlich Bauzeit und Kosten ein Fiasko. Deswegen wird jetzt auf neue Reaktortypen gehofft. Drei Unternehmen wollten mit Small Module Reactors (SMR) die Kernenergie revolutionieren, eines hat bereits aus Kostengründen aufgegeben. Die Idee ist, die Anlagen nicht auf der Baustelle zusammenzubauen, sondern in der Fabrik (eine ähnliche Idee wurde vor Jahrzehnten bei Fertighäusern verfolgt). Dadurch soll es deutlich billiger werden, schneller gehen und die geringeren Baugrößen (300 MW) sollen einen flexibleren Einsatz ermöglichen. Der nicht-nukleare Teil (Turbinen, Generator etc.) ist bei kleinen Anlagen spezifisch erheblich teurer als bei großen. Es wird noch Jahre dauern, bis es die Reaktoren gibt. Über ungelegte Eier kann man nicht gackern.
In jedem Fall stellt sich auch für diese Reaktoren die Frage nach den benötigten Uran-Reserven. Wie bei allen Rohstoffen findet sich eine erhebliche Bandbreite an Daten, wie groß die Reserven denn sind. Mit Hilfe eines schnellen Brüters und der Verwendung von atomwaffenfähigem Plutonium sind es aber mehrere hundert Jahre, ohne könnten die Uranreserven bei einem weltweit massiven Ausbau der Kernenergie noch weit vor Ablauf des Jahrhunderts erschöpft sein sein, sicher ist das aber nicht.
Regenerative Energien
Befürworter erneuerbarer Energien werden nicht müde, zu behaupten, erneuerbare Energien seien kostengünstig. Das ist für Deutschland nicht richtig. Der Subventionsbedarf ist vielmehr riesig. Das liegt zum einen an dem bescheidenen Angebot an Wind, Globalstrahlung und Wasserkraft in Deutschland, zum anderen daran, dass die Kosten durch Ideologie, Politik und falsche Anreize erhöht werden. Ein Beispiel sind die vielen Kleinst-PV-Anlagen, die spezifisch mehr als doppelt so teuer sind wie große Anlagen.
Hinzu kommt, dass kostengünstige Windstandorte und Stromverbrauchszentren in Deutschland sehr weit voneinander entfernt sind. Ein weiteres Problem besteht in dem hohen Heizwärmebedarf. Solarstrom hilft hier nicht, weil Globalstrahlung und Heizwärmebedarf negativ korrelieren. Deswegen müssen große Teile der Solarenergie über chemische Energieträger erst zwischengespeichert werden (Second-Hand-Strom-Long). Weltweit gesehen haben die meisten Menschen mehr Klimatisierungsbedarf als Heizbedarf, so dass sich eine positive Korrelation zwischen Solarstromerzeugung und Stromverbraucht ergibt. Da sieht das anders aus.
Bei den Kosten werden die Netzkosten, die Kosten für Back-up-Kraftwerke und Energiespeicher regelmäßig unter den Tisch gekehrt. Zusätzlich wird behauptet, dass die Kosten für regenerative Energien immer weiter sinken. Tatsächlich sind die Einspeisevergütungen in den letzten Jahren deutlich angehoben worden. Windenergie kostet immer noch nominal so viel wie vor 20 Jahren.
Offshore-Windenergie ist zwar günstiger, aber der Transport via Stromnetz an Land kostet mehrere ct/kWh (2023 waren es 7 ct/kWh). China ist bestrebt, für Solarmodule ein Anbietermonopol (analog OPEC) zu schaffen, weil die Preise für die Module selbst für chinesische Firmen nicht mehr kostendeckend sind. Manche haben den Unterschied zwischen Kosten und Preisen nicht verstanden.
Außerdem werden die Probleme der zeitlichen Schwankungen des Angebotes regelmäßig ignoriert oder kleingeredet. Probleme, die nicht einmal als solche benannt werden, können auch nicht gelöst werden. Es wird behauptet, dass sich die Schwankungen durch den europäischen Verbund ausgleichen. Stimmt aber nur zum kleinen Teil. Nirgends scheint die Sonne im Winter mehr als im Sommer. Wenn wir keinen Wind haben, haben Niederländer und Dänen auch keinen. 2022 war die Stromerzeugung aus Wasserkraft in Europa 16% niedriger als normal. Wo war der Ausgleich? Ausgleich bringt nur etwas, wenn er verlässlich immer da ist.
Die höchsten Kosten bei der Energiewende verursacht nicht die Stromerzeugung, sondern der Ersatz von fossilen Energieträgern im Verkehr und Wärmemarkt. Hier sind die Stromgestehungskosten nur einer von mehreren Faktoren. Teuer sind Stromnetze, Batterien und Wärmepumpen. Da würde Kernenergie auch nicht helfen.
Es gehört zum festen Bestandteil grüner Ideologie, dass Verkehr mit Batterien und Wärme mit Wärmepumpen zu dekarbonisieren sind. Wasserstoff wird mit fadenscheinigen Argumenten ferngehalten. Stattdessen wird auf Batterien aus China gesetzt und neue Abhängigkeiten werden geschaffen. Knappe Rohstoffe wie Lithium, Nickel und Kobalt, deren Gewinnung enorme Umweltschäden verursacht, insbesondere die Kohlekraftwerke für die Erzeugung des zur Herstellung benötigten Stroms werden für nachhaltig und klimaneutral erklärt, der Strom für die Anwendungen einfach als CO2-frei definiert und der Niedergang der Autoindustrie schadenfroh in Kauf genommen.
Lösung
Die regenerativen Energien sind für die kommenden mindestens zehn Jahre das Mittel der Wahl, wahrscheinlich weit darüber hinaus, zumindest werden sie auch danach den Löwenanteil an der Stromerzeugung beisteuern.
Damit das gelingt, muss der ideologische Ballast abgeworfen und falsche Dogmen hinweggefegt werden. Es gibt nicht nur eine richtige Technologie, das Optimum besteht immer aus einem Mix aus Technologien, die unterschiedlich Vor- und Nachteile haben. Schon gar nicht ist der Staat, derjenige, der die richtigen Technologien zweifelsfrei erkennt. Unfehlbarkeit ist dem Papst vorbehalten.
Anstatt PV-Anlagen in Brandenburg samt Wechselrichter zu bauen, für viel Geld ans Stromnetz anzuschließen, dieses dann auszubauen, um den Strom doch größtenteils abzuregeln, weil er im Sommer weit über dem Bedarf liegt, woran auch noch so viele teure und umweltschädliche Batterien nichts ändern werden, sollten die Anlagen besser losgelöst vom Stromnetz Wasserstoff erzeugen, der dann im Winter in Brennstoffzellen zum Heizen und Strom erzeugen eingesetzt werden kann. Die Gasleitungen sind schon da. Stromnetzausbau und Gaskraftwerksbedarf würden merklich reduziert.
Es wird immer wieder die geringe Energieeffizienz von Wasserstoff als Sekundärenergieträger vorgeschoben. Dabei wird regelmäßig mit unrichtigen Zahlen und Annahmen argumentiert. Da das regenerative Primärenergieangebot viel größer ist als die Nachfrage je sein wird, ist das Argument geringer Energieeffizienz niemals stichhaltig. Es zählen nur die Kosten. Türkiser Wasserstoff (durch Methanpyrolyse gewonnen) gehört ebenfalls ins Portfolio der klimaneutralen Energienutzung.
Bereits im November hatten wir darauf hingewiesen, dass die Planungen der Politik zur Stromnachfrage viel zu hoch sind. Inzwischen hat eine Studie von McKinsey die hemdsärmelige Argumentation bestätigt. Dementsprechend wird der Zubau der regenerativen Energien in Kürze wieder gebremst. Wer das verhindern möchte, sollte den regenerativen Strom zur Wasserstofferzeugung nutzen.
Europa hat die Batterietechnologie verschlafen und wird den Rückstand auch nicht mehr aufholen. Wer Technologieführer werden will, muss vor der Welle sein. Bei Kernenergie ist das ebenfalls aussichtslos. Bei Wasserstoff gibt es noch ein kleines Zeitfenster. Die Politik ist gerade dabei, auch diese Chance zu verspielen.
Die regenerativen Energien sind per se eine gute Sache und vermutlich kostengünstiger als neue Kernkraftwerke. Sicher ist aber, dass die Energiewende so, wie sie in den letzten Jahren betrieben wurde, scheitern wird.
Diejenigen, die sich für regenerative Energien engagieren, müssen sich kritisch mit den eigenen Dogmen auseinandersetzen und Kurskorrekturen vornehmen. Sonst werden bald wieder Kernkraftwerke gebaut.