Dynamische Stromtarife sind Preismodelle für Haushaltskunden und andere kleine Verbraucher, bei denen der Energiepreisanteil im Strompreis an die Spotpreise, meist den stündlichen Day-Ahead-Spotpreis gekoppelt wird. Dynamische Stromtarife waren in der Vergangenheit verbraucherrechtlich sogar verboten, inzwischen ist auch in der Politik angekommen, dass sie nicht nur hilfreich, sondern auch notwendig sind.
Voraussetzungen für dynamische Stromtarife
Wie so oft, schießt die Politik jetzt über das Ziel hinaus und verpflichtet alle Stromlieferanten ab 01.01.2025, dynamische Stromtarife anzubieten. Voraussetzung für einen dynamischen Stromtarif ist ein intelligentes Messsystem, das den Verbrauch stunden- oder viertelstundenscharf erfasst und die Daten per Fernauslesung zur Verfügung stellt, damit die tatsächlichen Verbrauchsverläufe anstelle der Standardlastprofile überhaupt bilanziert und abgerechnet werden können. In der Theorie funktioniert das automatisch und kostet nichts, die Praxis besagt etwas anderes.
Bekanntlich geht der Rollout bei den intelligenten Messsystemen aufgrund viel zu hoher Anforderungen nur im Schneckentempo vorwärts, so dass überhaupt nur wenige Kunden für dynamische Stromtarife infrage kommen. Egal, was Umfragen suggerieren, die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung immer noch in richtig teuren Grundversorgungstarifen steckt, zeigt, dass das Interesse an Stromtarifen nicht besonders groß ist.
Dynamische Stromtarife machen die Stromkosten unkalkulierbar, weshalb sie bei den allermeisten Verbrauchern auf Ablehnung stoßen werden. Abgesehen von Versorgungsunterbrechungen sind Nachzahlungen bei der Jahresstromrechnung für den deutschen Stromverbraucher der größte Horror. Dynamische Stromtarife lohnen sich auch nur bei bestimmten, verbrauchsseitigen Voraussetzungen. Insgesamt wird die Zahl der Nutzer dynamischer Stromtarife im kleinen, einstelligen Prozentbereich bleiben, aktuell werden die Zahlen noch viel tiefer liegen.
Es gibt in Deutschland viele Stadtwerke, die weniger als 10.000 Kunden haben. Für diese Unternehmen bedeutet die Schaffung eines Angebotes für dynamische Stromtarife einen unverhältnismäßigen Aufwand, ohne dass ein Mehrwert erkennbar ist. Aber die Stadtwerke haben ja derzeit nicht viel zu tun. Mit der kommunalen Wärmeplanung, dem Netzausbau, dem Anschluss von EE-Anlagen und Wallboxen, dem Smart Meter Rollout und allem, was sonst in den letzten drei Jahren an neuen und geänderten Vorschriften und Aufgaben auf sie niedergeprasselt ist, sind sie ja längst fertig. Randthemen zur Priorität zu machen, ist politisches Prinzip.
Man könnte die Frage stellen, warum die Politik denn überhaupt meint, in einen wettbewerblich organisierten Markt so massiv eingreifen zu müssen, aber Marktwirtschaft und Wettbewerb kommen in der Energiepolitik schon lange nicht mehr vor. Selbst in einem Land, das an Regelungswut erstickt, nimmt das Ausmaß an Vorschriften für die Stromlieferung und -lieferanten, insbesondere an Haushaltskunden, einen Spitzenplatz ein.
Für wen sind dynamische Stromtarife sinnvoll?
Hierzu sind dieser Tage haarsträubende Empfehlungen in Medien und auf einschlägigen Portalen zu lesen. Es wäre hilfreich gewesen, wenn sich die Autoren einmal mit zeitlichen Verläufen von Spotpreisen und anwendungstypischen Verbräuchen beschäftig hätten.
Strompreise sind um stochastische Effekte bereinigt im Winter höher als im Sommer. Diese Differenz wird sich in den nächsten Jahren deutlich vergrößern, weil im Winter die Nachfrage durch Wärmepumpen steigt, im Sommer hingegen das Angebot an Solarstrom, siehe negative Strompreise. Wer einen dynamischen Stromtarif hat, bekommt nicht nur den tageszeitlichen Effekt, sondern auch den saisonalen Effekt zu spüren.
Wärmepumpen benötigen dann besonders viel Strom, wenn es kalt ist. Genau dann sind die Spotpreise besonders hoch. Heute sind es im Tagesmittel 266,54 €/MWh, und heute gibt es hohen Heizbedarf. Eine Wärmepumpenheizung ist per se kein thermischer Speicher. Zwar verfügt ein gut gedämmtes Haus über eine gewisse thermische Trägheit, aber sofern nicht auf eine bestimmte Soll-Temperatur verzichtet werden soll, müsste die Temperatur zu anderen Zeiten erhöht werden, was einen höheren Stromverbrauch bedeutet. Die tageszeitlichen Preisschwankungen werden im Winter mit dem Zubau an (Groß-)Batteriekapazitäten abnehmen. Der Verbrauch müsste in die Nacht verlagert werden, ein paar Stunden Verschiebung helfen nicht.
Wer über eine Batterie verfügt, nutzt in aller Regel auch eine PV-Anlage. Wer eine PV-Anlage zum Eigenverbrauch nutzt, bezieht Strom zum größten Teil im Winter und zu Zeiten, in denen der Strom nicht so günstig ist, dahinter verbirgt sich das Phänomen der Profilfaktoren. Mit Hilfe der Batterie lässt sich der Verbrauch im Sommer in die günstigeren Tagesstunden verschieben. Aber dank der PV-Anlage wird in der Zeit sowieso kein Strom bezogen. Die Nutzung der Batterie verändert das Einspeiseprofil, aber hierfür ist der Preis fix.
Die dritte Gruppe sind die Besitzer von E-Autos in Verbindung mit Wallboxen. Sofern das Nutzerverhalten es zulässt, kann die Autobatterie im Winter in der zweiten Nachthälfte und im Sommer in der Tagesmitte geladen werden. Ein weiterer Vorteil könnte sich aus der Nutzung des Wochenendes ergeben, allerdings müsste eine intelligente Steuerung dann Nutzerverhalten und Strompreise für mehrere Tage voraussehen, was sehr schwierig ist. Überhaupt sind entsprechende Steuerungen meistens Voraussetzungen für die Nutzung der dynamischen Stromtarife.
Die Steuerungspotenziale in Haushalten ohne eine der drei zuvor genannten Stromanwendungen sind in aller Regel zu gering, als dass dynamische Stromtarife lohnend wären. Interessant können dynamische Stromtarife aber für vorwiegend im Sommer genutzte Ferienunterkünfte sein, erst recht, wenn sie klimatisiert sind. Der Effekt resultiert dann nicht aus einer tageszeitlichen Verschiebung, sondern aus der jahreszeitlichen Preisdivergenz.
Fazit
Dynamische Stromtarife sind nur in wenigen Fällen mit einem Kostenvorteil für die Verbraucher verbunden. Insbesondere Wärmepumpenbesitzer und PV-Anlagenbetreiber sollten zweimal überlegen, bevor sie ein solches Angebot annehmen. Ob es eine Ersparnis gibt und wie groß sie ist, hängt vom Einzelfall ab und lässt sich im Vorfeld nicht sicher bestimmen. Die Ersparnis ist in jedem Fall den stochastischen Schwankungen den Strommarktes durch das Wetter unterworfen.
Anstatt mal wieder mit allgemeinen Verpflichtungen in den Markt einzugreifen, hätte die Politik besser für ein zeitvariables, neues Netzentgeltsystem sorgen sollen.