Der optimale Strommix

Solar- und Windstrom ergänzen einander teilweise. Es stellt sich die Frage, was denn der optimale Mix aus beiden ist.

Nach aktueller politischer Beschlusslage wird Kernenergie in Deutschland in absehbarer Zeit keine Rolle spielen. CCS, also die Speicherung von CO2, das aus den Abgasen fossiler Kraftwerke abgeschieden wurde, ist so gut wie nicht vorgesehen. Zur Stromerzeugung bleiben somit nur regenerative Energien.

Das Wasserkraftpotenzial ist in Deutschland sehr gering und praktisch ausgeschöpft. Biomasse wird künftig anderweitig benötigt, so dass die Stromerzeugung hieraus eher rückläufig sein wird. Tiefengeothermie, bei der ausreichend hohe Temperaturen vorliegen, um Strom erzeugen zu können, steckt noch in den Kinderschuhen und hat ein begrenztes Potenzial. Es bleiben somit nur Windenergie und Fotovoltaik.

Wie sieht der optimale Mix aus beiden aus? Optimal bedeutet hier, möglichst niedrige Kosten unter Berücksichtigung der gesamten Systemkosten von der Stromerzeugung über die Netze bis zur Umwandlung in die gewünschte Nutzenergie. Das ist keineswegs selbstverständlich; die Planungen im EEG sind auf die Energieeffizienz optimiert.

Neben dem Strommix spielen auch die Wahl der richtigen Standorte und der Anlagengröße (private Dachanlage oder Freifläche?) eine Rolle für die Systemkosten. Voraussetzung für eine Optimierung ist zudem, dass von den jeweiligen Energieträgern ein ausreichend hohes Potenzial zur Verfügung steht.

Wind- und Solarstrom weisen gänzlich unterschiedliche Charakteristika auf. PV-Strom hat einen ausgeprägten Tagesverlauf und einen systematischen saisonalen Verlauf. Die Strommengen, die im Winter erzeugt werden, betragen nur einen Bruchteil derjenigen im Sommer. Der Stromverbrauch hingegen ist in Deutschland im Winter sehr viel höher als im Sommer (anders als in Ländern mit hohem Klimatisierungsbedarf), was durch die Nutzung von Wärmepumpen deutlich verstärkt wird.

Lange galt, dass PV-Strom besonders „wertvoll“ ist, weil er tagsüber verfügbar ist, wo der Verbrauch höher ist als in der Nacht. Das ist richtig, aber der Unterschied zwischen Tag und Nacht ist im Stromverbrauch nicht annähernd so groß wie der in der PV-Stromerzeugung, weshalb die Strompreise bereits jetzt im Sommer tagsüber niedriger sind als nachts.

Angesichts der hohen Investitionskostenanteile von Energieanlagen spielt die Kapazitätsauslastung der Anlagen eine wichtige Rolle. Die Kapazitätsauslastung ist das Verhältnis von tatsächlicher Nutzung zu technisch maximal möglicher Nutzung. In der Energiewirtschaft wird die Kapazitätsauslastung meist in Volllaststunden angegeben. Die Volllaststunden ergeben sich aus der erzeugten Strommenge bezogen auf die installierte Leistung. Da das Jahr 8.760 Stunden hat, entspricht eine Volllaststundenzahl von 8.760 h/a einer Kapazitätsauslastung von 100%.

Die Volllaststundenzahl von PV-Anlagen liegt in Deutschland zwischen 800 und 1.000 h/a, was einer Kapazitätsauslastung von rund 10% entspricht. Das bedeutet, dass ein Stromnetz zum Transport von PV-Strom isoliert betrachtet auch nur zu ca. 10% ausgelastet und entsprechend teuer ist. Die Kapazitätsauslastung von Windkraftanlagen an Land liegt bei 20 bis 30%, Anlagen auf See erreichen 40%.

Ein Vorteil des PV-Stroms ist, dass die Erzeugungsmengen auf Monats- und Jahresbasis von Jahr zu Jahr weniger schwanken als die Windstromerzeugung. Windstrom steht im Winter in höherem Maße zur Verfügung als im Sommer, was sich mit dem Bedarf deckt. Allerdings sind die stochastischen Schwankungen selbst auf Tagesbasis sehr hoch.

Selbst bei einem optimalen Strommix aus PV- und Windstrom wird neben dem Just-in-Time-Strom in hohem Maße Second-Hand-Strom, sowohl Short als auch Long benötigt. Das gilt auch, wenn verbrauchsseitige Flexibilitäten berücksichtigt werden. Auch der Stromhandel mit den Nachbarländern ist einzubeziehen. Der Import von „billigem Atomstrom“ ist ein Mythos. Importiert werden regenerative Stromüberschüsse (Dänemark, Holland) und zeitweise Strom aus Wasserkraftwerken mit saisonalem Speicher (Schweiz, Österreich, Norwegen). Das regenerative Stromangebot in den Nachbarländern kann zeitlich zu dem in Deutschland etwas verschoben sein (z.B. durchziehende Windfront), allerdings wird dieser Effekt meist überschätzt. Tag und Nacht sowie Sommer und Winter sind in den Nachbarländern auch nicht anders als bei uns.

Mit Hilfe eines zeitlich hochauflösenden Rechenmodells lassen sich Erkenntnisse gewinnen, wie sich der Bedarf an Second-Hand-Strom (Short und Long) mit dem Mix aus PV- und Windstrom verändert. Die Planzahlen im EEG für 2030 erfordern sehr viel Second-Hand-Short-Strom (also teure Batterien), dafür weniger Second-Hand-Long-Strom (der ja 2030 ohnehin noch aus den Gaskraftwerken, die vielleicht bis dahin gebaut werden, stammt). Eine Erhöhung des Windanteils würde den Bedarf an Second-Hand-Short-Strom reduzieren.

Wenn der Energiebedarf künftig nicht wie geplant zu 100% mit Strom gedeckt wird, sondern auch Wasserstoff als Sekundärenergieträger (im Wärmemarkt und Verkehr) zugelassen wird, verschiebt sich der optimale Mix erneut. Stromüberschüsse werden dann zur Wasserstofferzeugung genutzt, ohne dass der Wasserstoff zur Rückverstromung zur Verfügung steht.

In Deutschland wird die Frage nach dem optimalen Strommix durch das regionale Auseinanderfallen von Stromverbrauch und Windstromangebot sowie von Windstrom- und Solarstromangebot zusätzlich verkompliziert. Damit ist klar: Es gibt nur einen, der den optimalen Strommix ermitteln kann: Der Markt.

Damit das passieren kann, müssen Netzentgelte kostenverursachungsgerecht gestaltet werden und Abgaben und Förderungen technologieneutral erfolgen. Der Wärmepumpenminister glaubt nicht an den Markt, er setzt auf Planwirtschaft. Sein Planungsstab im allwissenden Staat hat das Optimum bereits ausgerechnet. Bravo. Der Begriff Systemkosten taucht da allerdings gar nicht auf.

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