Die Ausgleichsenergiepreise (Regelenergiepreise) spielen bei der Strombeschaffung künftig eine stärkere Rolle.
Was ist Ausgleichsenergie?
Ausgleichsenergie ist einerseits die Energie zum Ausgleich von Netzverlusten, andererseits die Regelenergie. Häufig wird Ausgleichsenergie als Synonym für Regelenergie benutzt. Um die Regelenergie geht es hier.
Der deutsche Strommarkt ist in vier Regelzonen aufgeteilt. Die Betreiber dieser Regelzonen sind die Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB). Sie sind verantwortlich dafür, dass das Stromsystem in ihrer Regelzone funktioniert, d.h. die Stromspannung und die Frequenz im vorgegebenen Rahmen bleiben.
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben arbeiten die ÜNB zusammen, auch mit ihren europäischen Nachbarn. Die ÜNB haben umfangreiche Rechte und eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung. Sie sind so etwas wie die Strompolizei. Überwacht werden die ÜNB von der Bundesnetzagentur bzw. auf europäischer Ebene von ACER (dem Verband der Regulierungsbehörden). Wer in einer Regelzone aktiv werden will, benötigt ein Energiemengenkonto, Bilanzkreis genannt. Dieses Konto wird im Viertelstundenraster geführt. Der Bilanzkreisinhaber wird Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) genannt. Rechte und Pflichten des BKV sind in standardisierten Bilanzkreisverträgen geregelt.
Neben (Haupt-)Bilanzkreisen gibt es auch Unterbilanzkreise (wie Unterkonten) mit z.T. abweichenden Rechten und Pflichten. Ein Stromlieferant kann selbst BKV sein, damit aber auch Dritte beauftragen. Auch Netzbetreiber, Stromverbraucher oder Direktvermarkter können BKV sein.
Die Hauptpflicht eines BKV besteht darin, den Bilanzkreis für jede Viertelstunde bestmöglich auszugleichen, d.h. die Summe der Stromlieferungen (Beschaffung und Erzeugung) in den Bilanzkreis muss gleich der Summe der Stromlieferungen aus dem Bilanzkreis (Verkäufe und Lieferungen an Dritte) sein. Stromverbräuche und EE-Stromerzeugung sind stochastischen Schwankungen unterworfen und können deswegen nur bestmöglich prognostiziert werden. Die Abweichung zwischen den Prognosen (SOLL) und den IST-Werten bei Verbrauch und Erzeugung wird als Regelenergie bezeichnet.
Die Prognoseabweichungen der BKV gleichen sich untereinander zum Teil aus. Der verbleibende Rest führt zu einem Ungleichgewicht in der Regelzone, dem der ÜNB durch den Einsatz von Regelenergie begegnen muss.
Wie wird der Regelenergiepreis (Ausgleichsenergiepreis) ermittelt?
Die ÜNB beschaffen und setzen zum Ausgleich zwischen SOLL und IST drei Regelenergiearten ein, nämlich zunächst die Primärregelenergie, dann die Sekundärregelenergie und zuletzt die Minutenreserve. Sie tun dies gemeinsam nach festgelegten Bedingungen und inzwischen auf europäischer Ebene. Anbieter im Regelenergiemarkt sind spezialisierte Stromerzeuger, Stromverbraucher oder Betreiber von Energiespeichern.
Die dabei entstehenden Kosten für die Bereitstellung der Regelenergie (Leistungspreise) werden in den Netzentgelten verrechnet. Die Kosten für den Einsatz der Regelenergie (Arbeitspreise) werden den BKV in Rechnung gestellt. Basis ist der reBAP (regelzoneneinheitlicher Bilanzkreisausgleichsenergiepreis), der für Unterdeckungen und Überdeckungen von Bilanzkreisen gleichermaßen gilt (Symmetrie).
In der Berechnung des reBAP ist sichergestellt, dass er stets höher (bei Unterdeckung der Regelzone) bzw. niedriger (bei Überdeckung der Regelzone) ist als der Preis im Intradayhandel. Bei zunehmendem Ungleichgewicht in der Regelzone gibt es eine Eskalation des reBAP.
Höhe der Ausgleichsenergiepreise
Exemplarisch sind hier der reBAP und der Day ahead-Spotpreis für die letzte Januarwoche 2024 dargestellt. Der reBAP zeigt massive Ausschläge nach oben und unten, ohne dass ein Muster oder eine Korrelation mit dem Spotpreis erkennbar wäre. Ein hoher reBAP bedeutet, die Regelzone war unterdeckt, ein niedriger reBAP entsteht bei einer überdeckten Regelzone. Über sehr lange Zeiträume nähern sich die Mittelwerte von Spotpreis und reBAP an. Von Januar bis März 2024 war der reBAP nur 1,7 €/MWh höher als der Spotpreis.
Es gibt vier Fälle, wie die Ungleichgewichte eines Bilanzkreises (BK) und der Regelzone zueinanderstehen können:
- BK überdeckt, Regelzone unterdeckt
- BK überdeckt, Regelzone überdeckt
- BK unterdeckt, Regelzone unterdeckt
- BK unterdeckt, Regelzone überdeckt
In den Fällen 1 und 4 gewinnt der BKV aus seiner Prognoseabweichung einen wirtschaftlichen Vorteil, die Fälle 2 und 3 hingegen sind zu seinem Nachteil. Die gezielte Herbeiführung der Fälle 1 und 4 ist streng verboten und wegen des stochastischen Charakters der Ungleichgewichte kaum möglich.
Ausgleichsenergie und Strompreis
Für den Stromlieferanten gibt es drei Möglichkeiten mit der Ausgleichsenergie umzugehen:
- Pauschaler Kostenansatz über alle Kunden (einer Kundengruppe)
- Kundenscharfe Kalkulation eines pauschalen Satzes
- Direkte Abrechnung der tatsächlichen Regelenergiekosten
Ob der Stromlieferant die erste oder zweite Variante gewählt hat, erfährt der Kunde i.d.R. nicht, auch nicht, welche Höhe angesetzt wurde, weil diese im Preis integriert ist. Die dritte Variante ist bislang einigen sehr großen Verbrauchern vorbehalten, denn hierzu gehört sinnvollerweise, dass der Verbraucher die Prognose für seinen Verbrauch im Viertelstundenraster selbst erstellt.
Die Prognose von EE-Stromerzeugung ist eine besondere Herausforderung, weil Fehler in der Prognose häufig nicht einen einzelnen BKV betreffen, sondern gleich die ganze Regelzone. Die Korrelation zwischen den Ungleichgewichten des BKV und der Regelzone ist sehr hoch. PPA, Lastflexibilität, PV-Eigenerzeugung und preisgesteuert laufende BHKW sind weitere Herausforderungen für den Stromlieferanten.