Seit Sommer werden von interessierter Seite Meldungen lanciert, wonach der Windkraftausbau (gemeint ist an Land) in Deutschland sich sehr beschleunigt hat und sehr gut vorangeht. Die Windkraft soll den größten Teil der künftigen, regenerativen Energieerzeugung beisteuern. Es wird seitens der Regierung unterstellt, dass es in wenigen Jahren genug Strom gibt, um die abgeschalteten Kernkraftwerke, Kohlekraftwerke und importiertes Erdgas zu ersetzen und gleichzeitig genug und billigen Strom für Wärmepumpen, Batterieautos und die energieintensive Industrie zur Verfügung zu haben. Der Ausbau der Windenergie ist außerdem für die Entwicklung der Strompreise in den nächsten Jahren elementar. Es lohnt sich, hier einmal genauer auf die Zahlen zu schauen.
Die historische Entwicklung des Windkraftausbaus lässt sich der Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur entnehmen. Bis Ende 2017 gab es Zubauraten von rund 4.000 MW pro Jahr, bevor der Zubau in den Folgejahren drastisch zurückging und erst in 2022 wieder zulegte. Ende 2022 waren knapp ca. 58 GW installiert. Für 2023 erwartet die Fachagentur Windenergie an Land einen Bruttozubau von ca. 3.000 MW, also etwas mehr als 2022. Gleichzeitig beschleunigt sich aber auch der Rückbau alter Anlagen, so dass der Nettozubau (=neu errichtetet Leistung abzgl. abgängige Leistung) weniger zunimmt.
Alte Anlagen werden entweder repowert oder nach ca. 20 Jahren as technischen Gründen stillgelegt. Insofern ist in den nächsten Jahren mit einem Rückbau des Zubaus von vor 20 Jahren zu rechnen, somit mehrere Tausend MW pro Jahr. Da neue Anlagen pro MW viel mehr Strom produzieren (auf den kommt es an) als alte, sieht die Mengenbilanz günstiger aus.
Das EEG als zentrales Instrument zur Förderung des Windkraftausbaus sieht bis Ende 2024 einen Ausbau auf 69 GW, bis Ende 2026 auf 84 GW und bis Ende 2030 auf 115 GW. Rechnerisch sind das in 2023 und 2024 jeweils 5.500 MW, wovon abzüglich den Rückbaus ca. 2.500 MW in 2023 realisiert werden. Um die Vorgaben des EEG einhalten zu können, müssten 2024 also netto 8.500 MW dazugebaut werden.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen werden in Deutschland nur Windkraftanlagen gebaut, die eine EEG-Förderung erhalten. Dazu muss ein Investor bereits eine Genehmigung zum Bau der Anlage haben und in einer der Ausschreibungen der Bundesnetzagentur einen Zuschlag erhalten haben. Wer einen Zuschlag erhalten hat, muss die Anlage innerhalb von 30 Monaten errichten. Für den Zubau in 2024 sind somit die Ausschreibungen 2021 bis 2023 maßgeblich.
2021 sind 3.295 MW, 2022 3.225 MW und 2023 werden maximal 6.496 MW bezuschlagt. Es gibt somit eine deutliche Steigerung, aber die Ziele des EEG werden so nicht annähernd erreicht. Die Mittelfristprognose der Übertragungsnetzbetreiber bis 2028 geht sogar von noch niedrigeren Zahlen aus. Danach werden bis Ende 2028 nur 76,6 GW anstelle der im EEG geplanten 99 GW erreicht.
Die Jubelmeldungen über den “rasanten” Ausbau der Windenergie beziehen sich zum Teil auf die Erteilung der Genehmigungen zum Bau von Windkraftanlagen. Tatsächlich gibt es hier eine deutliche Zunahme, ähnlich wie beim Zubau ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau. Allerdings produzieren Genehmigungen nun einmal keinen Strom, sondern nur tatsächlich gebaute und an das Netz angeschlossene Anlagen. Das wiederum setzt einen Zuschlag für die EEG-Förderung voraus.
Es bleibt abzuwarten, wann der Wärmepumpenminister die Zielverfehlung zugibt und Gegenmaßnahmen ergreift.