Monitoring 2025: Was bringt der Wettbewerb auf Einzelhandelsebene?

Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt sind verpflichtet, jährlich einen Bericht zum Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt zu erstellen. Dazu sind jedes Jahr sehr umfangreiche Fragebögen von allen Marktteilnehmern auszufüllen. Der Bericht liefert eine Vielzahl von interessanten Daten.

Die Kernfrage, nämlich, was der Wettbewerb auf den einzelnen Wertschöpfungsstufen (Erzeugung, Großhandel, Einzelhandel) des Strommarktes denn nun bringt oder gebracht hat, wird in den Berichten seit jeher nicht beantwortet. Ausschlaggebend für die Autoren ist, dass jeder Kunde unter ganz vielen Anbietern wählen kann und viele auch regen Gebrauch davon machen. Außerdem wird eine geringe Marktkonzentration auf Anbieterseite festgestellt. Rund 40% der Haushaltskunden haben einen anderen als den Grundversorger. Weitere ca. 40% sind zwar beim Grundversorger, aber in einem günstigeren Tarif. Also alles gut?

Eine dreistellige Anzahl von Anbietern, deutet eher daraufhin, dass der Wettbewerb nicht funktioniert. Da es für Stromanbieter jenseits des Preises nur wenige Möglichkeiten gibt, sich vom Wettbewerb abzuheben, stellt sich doch die Frage, wie alle diese Anbieter denn nebeneinander dauerhaft bestehen können. Außerdem stellt sich die Frage, wieviele der Anbieter etablierte Grundversorger oder deren Tochterunternehmen sind (vielleicht betreiben die Quersubventionierung?) und wieivele der Dritten sich denn tatsächlich dauerhaft am Markt halten können. Es werden aber nicht einmal Konzernverbindungen abgefragt.

Das Ziel von Wettbewerb im Einzelhandelsmarkt ist jedoch nicht eine größtmögliche Anbieterauswahl, sondern Kosteneffizienz, guter Service (Papierrechnungen?) und innovative Produktgestaltung. Die Endverbraucherpreise haben als Kriterium hierfür noch nie getaugt. Sie sind das Ergebnis von Netzkosten, Brennstoffpreisen, Wetter, Umlagen/Abgaben/Emissionshandel und nur wenig von Wettbewerb im Einzelhandel, also auf Vertriebsebene.

Ein Maßstab für Kosteneffizienz ist die Entwicklung der Vertriebsrohmarge, die sich aus den Verkaufspreisen abzüglich Steuern, Abgaben, Umlagen, Netzentgelten und Beschaffungskosten ergibt. Die Vertriebsrohmarge repräsentiert die Wertschöpfung auf Einzelhandelsebene und ist bezogen auf den Gesamtpreis sehr viel kleiner als in anderen Einzelhandelsmärkten, erst recht bei Großverbrauchern.

Der Bericht gibt als Vertriebskosten und Marge einen Durchschnittswert von 4,45 ct/kWh netto für Haushaltskunden zwischen 2.500 und 5.000 kWh an. Dieser Wert wird im Rahmen der Datenabfrage bei den Anbietern ermittelt. Das sind somit zwischen 111 und 222 € pro Kunde (genaugenommen Marktlokation) und Jahr. Leider wird die zeitliche Entwicklung dieser Zahl nicht thematisiert, sie taucht überhaupt erstmals im Bericht 2022 auf, damals betrug sie 4,27 ct/kWh.

Es überrascht nicht, dass die Vertriebskosten bei den Grundversorgungskunden viel höher sind als bei den übrigen Tarifen, immerhin müssen hier auch alle zahlungsunwilligen Kunden mit durchgeschleppt und noch zahlreiche andere Anforderrungen erfüllt werden. Bei Drittanbietern sind die Rohmargen mit 3,57 ct/kWh noch um 0,65 ct/kWh niedriger als bei den günstigen Alternativangeboten der Grundversorger. Das liegt sicher weniger an den Kosten als vielmehr daran, dass Vor-Ort-Versorger in der Präferenz der Kunden immer noch höher stehen als Dritte, so dass sie mehr Geld verdienen können. Es liegt auf der Hand, dass die Rohmargen bei Neukunden niedriger sind, verdient wird erst später.

Was ist in diesen Kosten enthalten? Darüber gibt der Bericht leider auch keine Auskunft. Dabei ist doch die Frage, was alle die Auflagen, die der Gesetzgeber den Energieversorgern macht, von der Schuldnerberatung bis zur Stromkennzeichnung, kosten, interessant. Ebenso ist von Interesse, was die ganze Kundenwechselei und die „Marktkommunikation“ für Kosten verursachen und ob sie denn überhaupt in der Praxis gemäß der Theorie funktionieren, also z.B. wie viele Fälle ins Clearing müssen.

Anders ausgedrückt: Worin liegt überhaupt der Vorteil des Wettbewerbs auf Einzelhandelsebene, gerade bei Haushaltskunden? Ohne Wettbewerb entfielen die Wechselkosten, Kosten für Werbung, einschließlich Provisionskosten für Vergleichsportale etc., Kundenkommunikation usw. Man weiß es nicht, weil der Bericht die Zahlen hierfür nicht liefert. Durchschnittlich 150 € pro Kunde bzw. gut 13% vom Nettopreis Vertriebskosten erscheinen sehr viel.

Tatsächlich dürfte der Vertriebsaufwand in den letzten Jahren deutlich gestiegen sein. Massiv zunehmende Komplexität, permanent neue Anforderungen (jetzt auch noch Energy Sharing), sich fortlaufend ändernde Vorschriften und explodierende IT-Kosten werden eben irgendwann auch im Wettbewerb auf die Kunden abgewälzt.

Bei der Produktgestaltung können sich Anbieter insbesondere durch den Zeitraum der Preisfixierung (für den von ihnen beeinflussbaren Preisbestandteile) abheben. Tatsächlich ist dieses Kriterium im Markt eher unterbelichtet. Im Monitoringbericht wird es gar nicht betrachtet. Es scheint immer noch die Beschaffungsstrategie vorzuherrschen, rollierend drei Jahre im Voraus einzukaufen – wofür es nie eine vernünftige Begründung gab. Die Folge ist, dass 2024 und 2025 die Kunden bei den meisten Anbietern immer noch von den sehr hohen Terminpreisen 2022 betroffen waren.

Die Belieferung von Haushaltskunden erfolgt immer noch weitestgehend nach dem H0-Standardlastprofil, das aus den 90er Jahren stammt, als es noch keine Wärmepumpen, E-Autos, PV-Anlagen/Batterien und auch ein grundlegend anders Verbrauchsverhalten gab. Nur, wenn der Kunde einen dynamischen Stromtarif wählt – was ein intelligentes Messsystem voraussetzt – wird der tatsächliche Lastgang der Abrechnung zugrunde gelegt.

Also werden die „normalen“ Kunden weiterhin diejenigen subventionieren, die aufgrund einer PV-Anlage und/oder einer Wärmepumpe deutlich höhere Beschaffungskosten verursachen – das ist ja beim Netzentgelt auch so. Informationen über die Verbreitung dynamischer Stromtarife (Kundengruppen? Preise?) sucht man in dem Bericht übrigens vergeblich.

Stattdessen findet sich folgender Satz: “Die Entwicklung im Bereich der Ökostromversorgung der Haushaltskunden ist sehr erfreulich.” Was hat diese Aussage in einem solchen Bericht zu suchen? Warum ist es erfreulich, dass immer mehr Menschen sich einbilden, wenn sie einen solchen Tarif wählen, würde mehr “Ökostrom” produziert? Herkunftsnachweise kosten nur 0,1 ct/kWh, das kann jeder Anbieter liefern.

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